Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
weißt, sehr berühmte Spezialistinnen des ältesten Gewerbes der Welt sind. Um drei Uhr nachts bin ich sternhagelvoll gegangen, aber er ist noch geblieben, und einige Zeit später sagte mir eines der Mädchen, sie hätten noch nie einen solchen Teufelskerl im Zaum halten müssen.«
    »Ich kenne den Typus, unsere Klöster sind voll davon. Sie sterben sehr jung, an Auszehrung ...«
     
    Baudolino und Zosimos waren wenn nicht Freunde, so doch Zechgenossen geworden. Angefangen hatte es damit, dass Zosimos nach einem ersten ausgiebigen Gelage einen grässlichen Fluch ausgestoßen und gesagt hatte, in jener Nacht würde er alle Opfer des Kindermordes von Bethlehem für ein Mädchen von loser Moral hingeben. Auf Baudolinos Frage, ob es das sei, was man in byzantinischen Klöstern lerne, hatte Zosimos geantwortet: »Wie Sankt Basilius gelehrt hat, gibt es zwei Dämonen, die den Verstand verwirren können: den der Unzucht und den des Fluchens. Aber der zweite wirkt nur kurzzeitig, und der erste, solange er die Gedanken nicht mit Leidenschaft aufwühlt, verhindert nicht die Kontemplation Gottes.« Sie waren sofort darangegangen, sich ohne Leidenschaft dem Dämon der Unzucht zu überlassen, und Baudolino war klargeworden, dass Zosimos für jede Lebenslage eine Sentenz irgendeines Theologen oder Eremiten hatte, die ihm erlaubte, sich in Frieden mit sich selbst zu fühlen.
    Ein andermal waren sie noch beim Zechen, und Zosimos pries ausgiebig die Wunder Konstantinopels. Baudolino schämte sich, weil er nur von den engen Gassen in Paris erzählen konnte, die voller Unrat waren, den die Leute aus den Fenstern kippten, oder von den trägen Wassern des Tanaro, die nicht mit den goldenen der Propontis konkurrieren konnten. Auch konnte er nicht von den mirabilia urbis Mediolani sprechen, weil Friedrich sie alle hatte zerstören lassen. In seiner Not, um den Zechgenossen zu beeindrucken und zum Schweigen zu bringen, zeigte er ihm den Brief des Priesters Johannes, als wollte er ihm sagen, dass es wenigstens irgendwo auf der Erde ein Reich gab, vor dem das seine zu einem kargen Heideland verblasste.
    Zosimos hatte kaum die erste Zeile des Briefes gelesen, da fragte er schon voller Misstrauen: »Presbyter Johannes? Wer soll das sein?«
    »Das weißt du nicht?«
    »Glücklich, wer zu jener Unwissenheit gelangt ist, über die hinaus man nicht gehen kann.«
    »Du kannst darüber hinausgehen. Lies, lies.«
    Er las, las mit seinen glühenden Augen, die immer glühender wurden, dann legte er das Pergament auf den Tisch und sagte scheinbar desinteressiert: »Ach, der Priester Johannes. Sicher, ich habe in meinem Kloster viele Berichte von Leuten gelesen, die sein Reich besucht hatten.«
    »Aber grad eben noch hast du doch nicht mal gewusst, wer er war!«
    »Die Kraniche formen bei ihrem Flug Buchstaben, ohne dass sie die Schrift kennen. Dieser Brief spricht von einem Priester Johannes, und da lügt er, aber er spricht auch von einem wahren Reich, das in den Berichten, die ich gelesen habe, als das des Herrn der drei Indien bezeichnet wird.«
    Baudolino war bereit zu wetten, dass dieser Spitzbube nur einen Schuss ins Blaue abgegeben hatte, aber Zosimos ließ ihm keine Zeit für Zweifel.
    »Dreierlei verlangt der Herr von Menschen, die getauft worden sind: von der Seele den rechten Glauben, von der Zunge die Aufrichtigkeit und vom Leib die Beherrschtheit. Diesen Brief kann nicht der Herr der drei Indien geschrieben haben, denn er enthält zu viele Ungenauigkeiten. Zum Beispiel nennt er viele außergewöhnliche Wesen, die dort leben, aber er schweigt ... warte, lass mich überlegen ... ja, er schweigt zum Beispiel über die Methagallinarii, die Thinsiretae und die Cametheterni.«
    »Und was sind die?«
    »Was die sind? Na, also das erste, was einem passiert, wenn man in die Gegend des Priesters Johannes kommt, ist, dass man einem Thinsireta begegnet, und wenn man nicht darauf vorbereitet ist, sich zu wehren, schwupp, hat einen das Biest schon mit Haut und Haaren verschlungen! Tja, das sind Orte, da kannst du nicht einfach so hingehen wie nach Jerusalem, wo du höchstens mal ein Kamel, ein Krokodil oder ein paar Elefanten triffst, und das war's dann ... Außerdem kommt es mir an diesem Brief auch sehr seltsam vor, dass er sich an deinen Kaiser richtet und nicht an unseren Basileus, wo doch das Reich dieses Johannes näher am Reich der Romäer liegt als an dem der Lateiner.«
    »Du redest, als ob du wüsstest, wo es liegt.«
    »Genau weiß ich's

Weitere Kostenlose Bücher