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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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öffnete die Tür und blieb einen Augenblick dort stehen wie der vermeintliche Alp. Sie glitt hinein. „Gaukler – ich komme in Eile jetzt kurz vor der Dämmerung, sonst haben wir beide zu leiden. Es war falsch, den Raum des Königs übereilt zu verlassen. Ich habe ihn aber überzeugt, daß du einem natürlichen Drang hast folgen müssen und lieber geflohen bist, anstatt dich so zu entwürdigen wie der alte Haudegen beim Essen. Karl ist von der Idee der Zauberkarten so fasziniert, daß er dir diese Indiskretion vergibt, wenn du sogleich zu ihm zurückkehrst.“ Sie beugte sich über ihn, ein ätherischer weiblicher Geist und atemberaubend schön. Wenn er sie nun herabzog, ihr das Kleid auszog, würde sie sich vielleicht doch so verhalten wie die Traumerscheinung? Er kämpfte mit einer unvermittelten heftigen Versuchung, unternahm jedoch nichts. „Ich bitte dich, Freund“, fuhr sie fort. „Komm mit mir, ehe das Heilige Amt dich hinabschleppt. Wenn die Folter erst einmal begonnen hat, kann auch der König nicht mehr eingreifen, sonst wird er von Papst Clemens exkommuniziert.“
    Exkommunikation durch den Papst! Die Kirche kannte keine Grenzen. Außerdem war Clemens historisch als der Antipapst bekannt, wenn seine Wahl auch nicht mehr von Politik bestimmt gewesen war wie die einer Reihe anderer Päpste auch. Vielleicht lag sein Hauptverbrechen darin, daß er nicht in Rom residierte. Die Kirche zwang mit ihrem Diktat allen vollständige Einheit auf, konnte sich jedoch selbst weder auf den Papst einigen noch darauf, daß das Amt wichtiger sei als der Ort der Regierung. Unvermittelt entschied sich Bruder Paul: „Ich komme mit dir.“
    „Wirklich?“ Sie war erstaunt.
    Ihre Überraschung ließ ihn innehalten. Was tat er? Er wußte, wenn er die Karten dem König gab, war das in der Konsequenz gleichbedeutend, als würde er sie Bruder Thomas direkt geben. In beiden Fällen würden die Waldenser in Frankreich, dem Heiligen Römischen Reich und vielleicht sogar in Italien selbst durch die Inquisition ausgerottet. Man würde sie foltern und vielleicht so vernichten wie die Albigenser.
    Doch es gab keine Möglichkeit, den zarten Überredungsversuchen der Kirche standzuhalten. Es war keine Wahl zwischen ‚richtig’ und ‚falsch’, sondern zwischen ‚offensichtlich falsch’ und ‚nur ein wenig falsch’. Die einzige Frage war nur, ob er die Information vor oder nach dem Ausrenken seiner Glieder und der Zerstörung seiner Finger ablieferte. Da er nun kapitulieren mußte, konnte er es ebensogut angenehm vollziehen und am Tisch des Königs speisen und mit der Geliebten des Königs flirten.
    Schande! Doch gab es einen besseren Weg? Sein Gefühl für persönliche Würde, die letzte der Qualitäten, die er an sich selber schätzte, war zu Boden geschlagen. Diese Hölle hatte ihn Stufe für Stufe gedemütigt, bis er seinen Stolz nicht länger aufrechterhalten konnte. So würde er tun, was er tun mußte – wenn er nur gewußt hätte, was dies war.
    Nun, er konnte fortlaufen. Sie konnten ihn nicht die ganze Zeit über bewachen, und in einiger Zeit würde er wieder gesund sein, und wenn er damit begann, die unwichtigen Karten zuerst zu malen, konnte er vielleicht die Gelegenheit finden zu fliehen, ehe die Schlüsselkarten an die Reihe kamen. Indem er das Angebot König Karls annahm, würde er Zeit und Freiraum gewinnen …
    Nein! Er würde keinen Handel in betrügerischer Absicht eingehen. Wenn er versprach, die Karten für den wahnsinnigen König zu zeichnen, würde er die Aufgabe auch erledigen müssen. So weit war sein Stolz noch nicht gesunken.
    Auch wenn die Urheber des Tarotspiels als Konsequenz daraus tausendfachen Tod erleiden mußten? Welch eine Art von Stolz war dies?
    Yvette entführte ihn in mehr als nur einem Sinne aus dem stillen Kloster in die verdeckte Karosse und fort vom Ort der Foltern. Am östlichen Horizont zeigte sich Licht. Er würde gern den Sonnenaufgang sehen.
    Sie hielt inne, um ihn zu küssen. „Ich bin so froh, daß du zur Vernunft gekommen bist! Alles ist bereit. Ich werde dich sogleich dem Künstler vorstellen.“
    „Künstler?“
    „Jenem, der die Karten nach deiner Anweisung malen wird. Er heißt Jaquemin Gringonneur. Der Befehl lautet, daß die Arbeit rasch vollzogen wird, denn der König ist ungeduldig und bereits ein wenig wütend auf dich. Es ist ein junger Mann, keine fünfundzwanzig Jahre alt, aber laß dich dadurch nicht täuschen. Er ist zu wirklich wahnsinnigen Taten

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