Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
es endlich
geschafft hatten. Inzwischen war ein gelber Frühlingsmond aufgegangen
und erleuchtete die Straße. Mein Vater schwang sich hinten auf den
Wagen, während Daniel und ich auf dem Bock Platz nahmen. Unser Nachbar
schüttelte uns allen die Hände und wünschte uns Lebewohl. Daniel
schnalzte mit den Zügeln, die Pferde legten sich ins Geschirr und zogen
kräftig an.
    »Dies ist das letzte Mal«, warnte mich Daniel. »Ich hoffe,
dass du nicht wieder von Bord springst.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Tu ich nicht.«
    »Keine Gelübde, die noch zu erfüllen wären?«, fragte er
grinsend.
    »Nein«, bekannte ich traurig. »Die Königin wünscht meine
Gesellschaft nicht, sie will niemanden um sich haben als den König,
doch ich fürchte, er wird niemals zu ihr zurückkehren. Und obwohl der
gesamte Haushalt der Prinzessin Elisabeth des Verrats angeklagt ist,
ist sie des Königs Günstling. Mag sein, dass sie wieder ins Gefängnis
gesteckt wird, aber hingerichtete wird sie gewiss nicht. Die Prinzessin
ist entschlossen, zu überleben und zu warten, bis ihre Zeit gekommen
ist.«
    »Sie fürchtet nicht, dass die Königin sie übergehen und die
Krone einer anderen vererben könnte – Margaret Douglas oder
Maria Stuart zum Beispiel?«
    »Ihre Zukunft ist ihr geweissagt worden«, berichtete ich
leise. »Ihr wurde versichert, dass sie die Thronerbin ist. Sie weiß
nicht, wie lange sie warten muss, aber sie ist zuversichtlich.«
    »Und wer hat ihr wohl die Zukunft vorausgesagt?«, fragte
Daniel schroff.
    Auf mein betroffenes Schweigen hin nickte er. »Ich glaube
wirklich, dass du jetzt mitkommen musst«, sagte er gleichmütig.
    »Ich bin der Ketzerei beschuldigt worden«, sagte ich. »Aber
dann haben sie mich freigelassen. Ich habe nichts Falsches getan.«
    »Du hast genug getan, um doppelt und dreifach hingerichtet zu
werden: Du solltest gehängt werden wegen Hochverrats, erwürgt, weil du
eine Hexe bist, und verbrannt unter der Anklage der Häresie«, sagte er
ohne den Anflug eines Lächelns. »Eigentlich solltest du auf den Knien
vor mir liegen und mich anflehen, dass ich dich fortbringe.«
    Fast hätte ich lautstark protestiert, doch dann begriff ich,
dass er mich nur neckte. Gegen meinen Willen musste ich lachen.
Sogleich strahlte er, nahm meine Hand und führte sie an seine Lippen.
Sein Mund auf meinen Fingern war warm, ich spürte seinen Atem auf
meiner Haut, und einen Augenblick sah, hörte und spürte ich nichts
anderes als seine Berührung.
    »Du brauchst nicht zu betteln«, sagte er leise. »Ich wäre
ohnehin gekommen, dich zu holen. Ich kann nicht mehr ohne dich leben.«
    Unser Weg führte uns am Tower vorbei. Ich fühlte mehr, als ich
sah, wie Daniel sich versteifte, als der Schatten von Robert Dudleys
Gefängnis auf uns fiel.
    »Weißt du, ich konnte nicht dagegen an, ihn zu lieben«,
bekannte ich verzagt. »Als ich ihn das erste Mal sah, war ich noch ein
Kind und er der schönste Mann, den ich je gesehen hatte, und der Sohn
des mächtigsten Mannes von England.«
    »Nun, jetzt jedoch bist du eine erwachsene Frau und er ist ein
Verräter«, stellte Daniel nüchtern klar. »Und du bist mein.«
    Ich warf ihm einen Seitenblick zu. »Wie du befiehlst, mein
Ehemann«, sagte ich demütig. »Was immer du befiehlst.«
    Das von Daniel bestellte Schiff wartete
bereits auf uns, und wir plagten uns einige Stunden lang, um die Teile
der zerlegten Druckerpresse und die Tonnen und Kisten mit Büchern und
Papieren einzuladen. Doch schließlich waren wir fertig, die Matrosen
lösten die Leinen, die Barken nahmen uns in Schlepptau, und langsam
glitt unser Schiff flussabwärts, von der zunehmenden Ebbe gezogen. Mein
Vater hatte einen Speisekorb mit an Bord gebracht, und wir setzten uns
auf das Deck und aßen kaltes Huhn und einen seltsamen, streng
schmeckenden Käse sowie hartes, knuspriges Brot.
    »An diese Speisen wirst du dich gewöhnen müssen«, lachte
Daniel. »So isst man in Calais.«
    »Bleiben wir denn in Calais?«, wollte ich wissen.
    Er schüttelte den Kopf. »Dort sind wir auch nicht ewig
sicher«, meinte er. »Bald schon wird Königin Maria ihre Verfolgung auch
dorthin ausdehnen. Calais ist von geflohenen Protestanten und
Lutheranern und Erastianern durchsetzt, die nach Frankreich, Flandern
oder Deutschland fliehen wollen. Auch viele englische Verschwörer sind
dort untergetaucht. Und das Königreich Frankreich führt seinen eigenen
Krieg gegen die Hugenotten sowie gegen jeden, der sich der herrschenden
Meinung der

Weitere Kostenlose Bücher