Die Hofnärrin
Frau meine treue Dienerin. Wir haben
gemeinsam für mein Wohlergehen gebetet.«
Sie riss sich los und schlug nach ihm, trommelte mit den
Fäusten auf seine Brust. »Sie ist eine Dirne und er ein Magier der
Schwarzen Künste!«, heulte sie. »Und Ihr seid ein verlogener Betrüger,
der mein Herz so oft gebrochen hat, dass ich es nicht mehr zählen kann!«
Robert hielt ihre Hände fest. »Sie ist eine treu ergebene
Dienerin und eine ehrbare, verheiratete Frau«, gab er ihr in ruhigem
Ton zu verstehen. »Und Mr. Dee ist der Kaplan eines der wichtigsten
Kirchendiener dieses Landes. Madam, ich bitte Euch, beruhigt Euch!«
»Ich werde dafür sorgen, dass er gehängt wird!«, schleuderte
sie ihm entgegen. »Ich werde ihn als Teufelsverbündeten
anzeigen – und sie ist nichts weiter als eine Hexe und eine
Hure!«
»Ihr werdet nichts erreichen, außer Euch lächerlich zu
machen«, sagte Robert standhaft. »Amy, Ihr wisst, wozu Ihr imstande
seid. Beruhigt Euch!«
»Wie kann ich ruhig sein, wenn Ihr mich vor Euren Freunden
demütigt?«
»Ich habe Euch nicht gedemütigt …«, setzte er an.
»Ich hasse Euch!«, kreischte sie unvermittelt.
John Dee und ich zuckten zusammen und blickten sehnsüchtig
nach der Tür, wünschten uns fort von diesem Aufruhr.
Mit einem Aufheulen riss Amy sich los und warf sich mit dem
Gesicht nach unten auf das Bett. Sie kreischte vor Schmerz, sie war
vollkommen außer sich. John Dee und Lord Robert schauten sich entsetzt
an. Ich vernahm ein leises Reißen und begriff, dass Amy den
Bettüberwurf mit den Zähnen zerriss.
»Oh, um Himmels willen!« Robert packte sie an den Schultern
und zog sie vom Bett hoch. Sofort fuhr sie ihm mit den Fingernägeln ins
Gesicht, die Hände gespreizt wie die Krallen einer Katze. Robert griff
ihre Hände und zwang sie nieder, bis sie zu seinen Füßen kniete.
»Ich kenne Euch doch!«, schimpfte sie, das Gesicht nach oben
gewandt. »Wenn nicht sie, dann eine andere. Für Euch gibt es nichts als
Stolz und Wollust.«
Lord Roberts zornrotes Gesicht nahm langsam wieder seine
normale Farbe an, doch ihre Hände ließ er nicht los. »Ja, ich bin ein
Sünder«, bekannte er. »Aber zum Glück bin zumindest ich nicht verrückt.«
Amys Lippen bebten. Dann heulte sie auf und schaute hoch in
sein hartes Gesicht. Tränen schossen der haltlos Schluchzenden aus den
Augen. »Ich bin nicht verrückt, ich bin krank, Robert!«, rief sie
verzweifelt. »Ich bin krank vor Kummer.«
Über ihren Kopf hinweg sah er mich an. »Hole Mrs. Oddingsell«,
befahl er. »Sie weiß, was zu tun ist.«
Einen Augenblick lang war ich wie erstarrt, gebannt vom
Anblick einer Amy Dudley, die mit den Zähnen knirschte und auf allen
vieren vor ihrem Mann herumkroch. »Was?«
»Hole Mrs. Oddingsell.«
Ich nickte und verließ das Zimmer. Die halbe Dienerschaft
machte sich auf dem Treppenabsatz zu schaffen. »Geht an eure Arbeit!«,
befahl ich barsch, lief die lange Galerie entlang und fand Mrs.
Oddingsell vor einem kümmerlichen Feuer in ihrem Zimmer.
»Ihre Ladyschaft weint, und seine Lordschaft wünscht, dass Ihr
kommt«, platzte ich heraus.
Mrs. Oddingsell erhob sich sofort. Sie wirkte nicht im
Mindesten erstaunt. Ich beeilte mich, mit ihr Schritt zu halten. »Ist
dies schon einmal geschehen?«, fragte ich.
Sie nickte.
»Ist sie krank?«
»Lässt sich zu leicht von ihm aus der Fassung bringen«,
beschönigte sie in der für eine treu ergebene Dienerin typischen Weise.
»Ist sie immer schon so gewesen?«
»Als sie jung und frisch verliebt waren, konnte man es noch
der Leidenschaft zugutehalten. Doch sie fand erst Frieden, als er im
Tower saß – abgesehen von der Zeit natürlich, als die
Prinzessin dort eingesperrt war.«
»Wie bitte?«
»Damals war sie krank vor Eifersucht.«
»Aber sie waren Gefangene!«, rief ich aus. »Sie werden wohl
kaum Zeit gehabt haben, miteinander auf den Ball zu gehen!«
Mrs. Oddingsell nickte. »Aber nach der Meinung meiner Lady
waren sie ein Paar. Und nun kann er kommen und gehen, wie es ihm
beliebt. Und sie weiß, dass er die Prinzessin trifft. Er wird ihr noch
das Herz brechen, und das meine ich nicht als Redensart. Sie wird daran
sterben.«
Wir waren vor Mr. Dees Tür angelangt. Ich legte eine Hand auf
Mrs. Oddingsells Arm. »Seid Ihr ihre Pflegerin?«
»Wohl eher ihre Wärterin«, entgegnete sie und betrat leise das
Zimmer.
An jenem Abend schaute ich nicht mehr in den
Spiegel, doch am nächsten Tag, als Lady Dudley auf ihrem Zimmer blieb
und sich den
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