Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
unerwartete Rückkehr noch zu meiner neuen
Kleidung etwas zu sagen hatte.
    »Vielleicht spricht sie mit dir«, sagte sie gedämpft, immer
auf der Hut vor Lauschern. »Aber wähle deine Worte mit Bedacht. Erwähne
weder den König noch das Baby.«
    Ich spürte, wie mich der Mut verließ. »Jane, ich weiß nicht,
ob sie mich sehen will, könntet Ihr nicht fragen?«
    Janes Hände auf meinem Rücken schoben mich vorwärts. »Und
sprich nicht von Calais«, fuhr sie fort. »Oder von den Scheiterhaufen.
Oder vom Kardinal.«
    »Warum soll ich denn den Kardinal nicht erwähnen?«, fragte ich
und versuchte, ihren Händen auszuweichen. »Meint Ihr Kardinal Pole?«
    »Er ist krank«, erwiderte Jane. »Und in Ungnade gefallen. Er
ist nach Rom zurückbeordert worden. Wenn er stirbt oder in Rom bestraft
wird, wird sie vollkommen allein sein.«
    »Jane, ich kann dort nicht hineingehen und sie trösten. Es
gibt nichts, das ich ihr zum Trost sagen könnte. Sie hat ja alles
verloren.«
    »Es gibt nichts, das irgendjemand sagen könnte«, meinte Jane
Dormer brüsk. »Sie ist so tief gefallen, wie eine Frau nur fallen kann,
und doch muss sie sich wieder zusammenreißen. Sie ist immer noch die
Königin. Sie muss sich wieder aufrichten und dieses Land regieren,
sonst wird Elisabeth sie binnen einer Woche vom Thron gestoßen haben.
Wenn sie nicht auf ihrem Thron sitzt, wird Elisabeth sie ins Grab
stoßen.«
    Jane öffnete mit der einen Hand die Tür und schob mich mit der
anderen hinein. Ich stolperte ins Zimmer, machte einen Knicks und
hörte, wie die Tür leise hinter mir geschlossen wurde.
    Der Raum lag im Dämmerlicht, die Läden waren immer noch
heruntergelassen. Unsicher schaute ich mich um. Die Königin saß weder
in einem der Lehnsessel, noch lag sie zusammengekrümmt auf ihrem großen
Bett. Auch vor ihrem prie-Dieu kniete
sie nicht. Ich konnte sie nirgendwo entdecken.
    Dann vernahm ich ein schwaches Geräusch, einen Laut, wie ihn
ein Kind von sich gibt, das nach langem Weinen nach Luft schnappt. Ein
leiser, dünner, schmerzlicher Laut wie der eines Kindes, das so lange
geweint hat, dass es keine Tränen mehr hat, weil es daran zweifelt,
dass der Kummer jemals vergehen wird.
    »Maria«, flüsterte ich. »Wo seid Ihr?«
    Als meine Augen sich endlich an das Dämmerlicht gewöhnt
hatten, sah ich sie. Sie lag vergraben in den Binsen, mit denen der
Boden bestreut war. Ihr Gesicht war der Fußleiste zugewandt, und sie
krümmte sich über ihrem Bauch wie eine Verhungernde. Ich kroch auf
Knien und Händen auf sie zu, fegte im Kriechen die ausgestreuten, stark
duftenden Zweige beiseite. Dann war ich bei ihr angelangt und berührte
sanft ihre Schultern.
    Sie reagierte nicht. Wahrscheinlich nahm sie mich nicht einmal
wahr. Sie war so in ihren tiefen und undurchdringlichen Kummer
vergraben, dass es schien, als würde sie für den Rest ihres Lebens in
dieser Finsternis verharren müssen.
    Ich streichelte ihre Schulter in der Art, wie man ein
sterbendes Tier streichelt. Worte vermochten hier nichts mehr
auszurichten, und so dachte ich, dass sanfte Berührung ihr helfen
könnte – doch ich wusste ja nicht einmal, ob sie diese spürte.
Ich hob ihre Schultern sanft vom Boden hoch, bettete ihren Kopf in
meinen Schoß und nahm ihr die Haube von dem armen, müden Kopf. Ich
wischte ihr die Tränen ab, die unter den geschlossenen Lidern
hervorquollen und über die müden, welken Wangen rannen. Schweigend saß
ich mit ihr, bis ihre tieferen Atemzüge mir verrieten, dass sie
eingeschlafen war. Selbst im Schlaf quollen noch Tränen unter ihren
geschlossenen Lidern hervor und strömten die nassen Wangen herab.
    Als ich aus den königlichen Gemächern kam,
stand Lord Robert davor.
    »Ihr«, sagte ich freudlos.
    »Ja, ich bin's«, sagte er. »Und du brauchst nicht so
vorwurfsvoll zu schauen. Mich trifft keine Schuld an ihrem Zustand.«
    »Ihr seid ein Mann«, äußerte ich. »Und meistens trifft Männer
die Schuld am Leid der Frauen.«
    Er lachte kurz auf. »Ich bin schuldig, ein Mann zu sein, so
viel gebe ich zu. Du bist eingeladen, in meinen Räumen zu speisen. Ich
habe sie angewiesen, ein wenig Suppe und Brot und Obst aufzutragen.
Dein Sohn ist auch dort. Mit Will.«
    Ich ließ mich von ihm davonführen, seinen Arm um meine Taille
geschlungen.
    »Ist sie krank?«, fragte er, den Mund an meinem Ohr.
    »Ich habe sie noch nie in einem so schlimmen Zustand gesehen«,
erwiderte ich.
    »Blutet sie? Ist ihr schlecht?«
    »Sie hat ein gebrochenes Herz«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher