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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ich kurz.
    Damit gab Lord Robert sich zufrieden und schob mich in seine
Gemächer. Diese waren nicht die prächtigen Räume der Dudleys, wie sie
ihm früher bei Hofe zugestanden hatten. Es waren bescheidenere Zimmer,
doch er hatte sie hübsch ausstatten lassen mit Betten für die
Dienerschaft und einem Privatgemach für sich selbst. Dieses betraten
wir nun und fanden neben dem Kamin einen Topf mit Suppe vor und einen
Tisch, der für drei gedeckt war. Will saß dort und hielt Danny auf dem
Schoß, der bei meinem Eintreten den Kopf hob. Er gab ein leises Gurgeln
von sich, das lauteste Geräusch, das er bisher gemacht hatte, und
streckte mir seine Ärmchen entgegen. Ich nahm ihn hoch.
    »Danke dir«, sagte ich zu Will.
    »Er war mir eine süße Last«, bekannte er.
    »Du kannst bleiben, Will«, sagte Robert. »Hannah wird mit mir
speisen.«
    »Ich habe keinen Hunger«, erwiderte Will. »Ich habe in diesem
Land so viel Trauriges erlebt, dass mein Bauch ganz voll davon ist. Mir
ist schlecht vor Kummer. Ich wünschte, ich könnte ein klein wenig
Freude als Gewürz daraufstreuen.«
    »Die Zeiten werden sich ändern«, sagte Robert ermutigend. »Sie
ändern sich bereits.«
    »Ihr zumindest seid auf neue Zeiten vorbereitet«, sagte Will,
und in seinen Augen glomm ein schalkhafter Funke. »Denn unter dem
letzten Herrscher wart Ihr einer der größten Lords, und unter der
jetzigen Regierung seid Ihr ein Verräter, der eben noch der Henkersaxt
entronnen ist. Ich könnte mir also vorstellen, dass Veränderungen Euch
sehr willkommen sind. Worauf hofft Ihr als Nächstes, Mylord? Was hat
Euch die nächste Königin versprochen?«
    Mich überkam ein leiser Schauder. Genau diese Frage hatte auch
Robert Dudleys Diener gestellt, es war die Frage, die jedermann
stellte. Was konnte Robert nicht alles erreichen, wenn er hoch in
Elisabeths Gunst stand?
    »Nichts als Gutes für unser Land«, erwiderte Robert leichthin
und mit freundlichem Lächeln. »Komm und iss mit uns, Will. Du bist hier
unter Freunden.«
    »Na schön«, sagte Will, setzte sich an den Tisch und zog eine
Schüssel zu sich heran. Ich band Danny auf dem Stuhl neben mir fest,
damit er aus meiner Schüssel mitessen konnte, und nahm ein Glas Wein
aus Lord Roberts Hand entgegen.
    »Auf uns«, sagte dieser und hob sein Glas zu einem ironischen
Trinkspruch. »Eine Königin mit gebrochenem Herzen, ein abwesender
König, ein verlorenes Kind, eine Königin, die auf ihre große Stunde
wartet, und zwei Narren und ein bekehrter Verräter. Zum Wohl!«
    »Zwei Narren und ein notorischer Verräter«, schloss Will sich
an und hob sein Glas. »Zusammen also drei Narren.«

Sommer
1558
    F ast wie aus Versehen geriet ich wieder in
den Dienst bei der Königin. Sie war unruhig und traute niemandem,
wollte deshalb nur von solchen Menschen umsorgt werden, die von Anfang
an bei ihr gewesen waren. Es schien ihr kaum aufzufallen, dass ich mehr
als zwei Jahre fort gewesen und nun als erwachsene Frau wiedergekehrt
war, die sich auch wie eine Frau kleidete. Sie mochte es, wenn ich ihr
spanische Texte vorlas und an ihrem Bett saß, über ihren Schlaf wachte.
Die tiefe Traurigkeit, die sie seit ihrer fehlgeschlagenen zweiten
Schwangerschaft überkommen hatte, führte dazu, dass sie keinerlei
Neugier in Bezug auf mein Leben hegte. Ich erzählte zwar, dass mein
Vater gestorben war und dass ich meinen Verlobten geheiratet hatte und
mit ihm ein Kind hatte, doch das Einzige, was sie interessierte, war
die Trennung: mein Mann in Frankreich – wohlbehalten, wie ich
hoffte –, während ich in England weilte. Ich hütete mich, von
Calais zu sprechen, denn über den Verlust des englischen Stützpunktes
auf dem Kontinent war sie ebenso beschämt wie über den Verlust ihres
Kindes.
    »Wie kannst du es ertragen, nicht bei deinem Ehemann zu
sein?«, fragte sie plötzlich an einem grauen Nachmittag, nachdem wir
drei Stunden in Schweigen verbracht hatten.
    »Ich vermisse ihn«, bekannte ich, erschrocken, weil sie so
unvermittelt gesprochen hatte. »Doch ich hoffe, ihn bald wiederzusehen.
Sobald es geht, fahre ich nach Frankreich und suche ihn. Oder er wird
zu mir kommen, wie ich hoffe. Wenn Ihr mir behilflich sein würdet, ihm
eine Nachricht zu schicken, wäre ich sehr erleichtert.«
    Die Königin wandte sich dem Fenster zu und schaute auf die
Themse hinaus. »Ich halte eine Flotte bereit für den Fall, dass der
König zurückkommt«, sagte sie, mehr zu sich selbst. »Dazu Pferde und
Unterkünfte auf der ganzen

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