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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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meiner Stimme stutzte er und schaute mich forschend
an. »Hannah? Hannah die Hofnärrin? Hannah, die unsichtbare Hofnärrin?«
    Ich nickte zu dem angedeuteten Vorwurf. »Will, was ist
geschehen?«
    Er sagte nichts zu meinem Gewand oder zu dem Kind. »Die
Königin«, erwiderte er.
    »Oh Will, sie ist doch nicht etwa tot?«
    Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Doch es wird nur eine
Frage der Zeit sein.«
    »Und das Baby?«, fragte ich, obgleich ich die Wahrheit bereits
ahnte.
    »Es ist wieder geschehen«, sagte Will. »Kein Baby. Wieder
einmal. Und wieder einmal wird ganz Europa über sie lachen, über ihre
Demütigung.«
    Instinktiv streckte ich ihm zum Trost meine Hände entgegen,
und er umklammerte sie sogleich.
    »Ist sie krank?«, flüsterte ich.
    »Ihre Hofdamen sagen, sie weigere sich, vom Boden
aufzustehen«, antwortete Will. »Sie sitzt zusammengekauert auf dem
Boden, gleicht eher einer Bettlerin als einer Königin. Ich weiß nicht,
wie es dazu kommen konnte, Hannah. Wenn ich an ihre Kindheit
zurückdenke – sie war so ein fröhliches, lebhaftes
Kind – und all die Liebe, die ihre Mutter ihr gegeben
hat – und ihr Vater betete sie an und nannte sie sein Eigen,
seine Prinzessin von Wales, und nun dieses traurige Ende … Was
wird als Nächstes geschehen?«
    »Wie? Was soll denn als Nächstes geschehen?«, fragte ich
entsetzt.
    Will zog eine Schulter hoch und schenkte mir ein schiefes,
trauriges Lächeln. »Hier nicht«, sagte er verächtlich. »In Hatfield
wird etwas geschehen. Dort lebt die Thronerbin, da wir hier ja keinen
Thronfolger produzieren können. Wir hatten zwei Versuche und
herausgekommen ist nur heiße Luft. Wirklich nicht das Wahre. Aber in
Hatfield – nun, der halbe Hofstaat lebt ja schon dort, und die
Übrigen möchten auch so rasch wie möglich hin. Sie hat gewiss schon
ihre Rede geschrieben. Sie ist vorbereitet auf den Tag, an dem sie ihr
mitteilen werden, dass die Königin tot ist und sie die neue Herrscherin
wird. Sie hat gewiss alles schon geplant – wo sie sitzen und
was sie sagen wird.«
    »Du hast recht.« Ich teilte seine Bitterkeit. »Ihre Rede hat
sie gewiss fertig. Sie wird sagen: ›Dies ist das Werk des Herrn; es ist
wunderbar in unseren Augen.‹«
    Will stieß ein bitteres, krächzendes Lachen aus. »Mein Gott!
Sie ist ein wahres Wunder, diese Prinzessin! Woher weißt du das? Woher
weißt du, was sie sagen wird?«
    Ich spürte, wie ein Kichern in meiner Kehle hochstieg. »Oh
Will! Sie hat mich damals gefragt, was die Königin bei ihrer
Thronbesteigung sagen wolle, und als ich es ihr verriet, meinte sie, es
sei so gut, dass sie es selbst benutzen wollte.«
    »Nun ja, warum auch nicht?«, fragte er trostlos. »Alles andere
hat sie sich ohnehin schon zu Eigen gemacht: Königin Marias Ehemann,
die Liebe des englischen Volkes, den Thron – fehlten nur noch
die Worte aus der Thronrede ihrer Schwester.«
    Ich nickte. »Meinst du, ich darf die Königin sehen?«
    Will grinste. »Sie würde dich nicht wiedererkennen. Du bist
eine schöne Frau geworden, Hannah. Liegt es wirklich nur an dem Kleid?
Du musst deine Schneiderin gut entlohnen. War sie es, die diese
Wandlung bewirkt hat?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es war Liebe, glaube ich.«
    »Die Liebe zu deinem Mann? Du hast ihn also gefunden, was?«
    »Ich habe ihn gefunden und fast sofort wieder verloren, Will,
weil ich eine Närrin war, von Stolz und Eifersucht missgeleitet. Doch
ich habe seinen Sohn, und dieser hat mich gelehrt zu lieben, ohne an
mich selbst zu denken. Ich liebe ihn nun mehr, als ich es je für
möglich gehalten hätte. Dies hier ist mein Sohn, Danny. Und sollten wir
seinen Vater jemals wiedersehen, werde ich ihm sagen können, dass ich
letztlich doch zu einer Frau herangereift bin, die zur Liebe bereit
ist.«
    Will lächelte Danny an, der schüchtern den Kopf hob und Wills
Lachfalten bestaunte. Dann erwiderte er das Lächeln.
    »Kannst du ihn eine Weile halten, während ich an der Tür
bitte, ob ich die Königin sehen darf?«
    Will streckte die Arme aus, und Danny überließ sich ihnen
voller Vertrauen, das Will in jedem Menschen erweckte. Ich stieg die
Stufen zum Audienzzimmer hoch und ging weiter zu der geschlossenen Tür
der königlichen Gemächer. Ich nannte meinen Namen und wurde bis zur Tür
des innersten Zimmers vorgelassen, vor der eine wachsame Jane Dormer
stand.
    »Jane, ich bin's«, sagte ich. »Hannah.«
    Es war ein Zeichen für die Tiefe des Kummers der Königin, dass
Jane weder über meine

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