Die Hofnärrin
noch ausstand. »Der Herzog von Suffolk weilt nicht in
seinem Haus in Sheen, und niemand weiß, wo er sich aufhält.«
Ich sah, wie Jane Dormer auf ihrem Fensterplatz erstarrte.
Wenn der Herzog von Suffolk verschwunden war, konnte dies nur eines
bedeuten: Er sammelte seine Hunderte von Mannen zählende Gefolgschaft,
um seiner Tochter Jane den Thron zurückzuerobern. Die Gefahr zweier
gleichzeitig stattfindender Aufstände drohte: der eine zugunsten
Elisabeths und der andere zugunsten Lady Janes. Diese beiden Namen
konnten mehr als die Hälfte des Landes in Aufruhr versetzen, und der
ganze Mut, die ganze Entschlossenheit, die Königin Maria bislang
gezeigt hatte, konnte vergebens gewesen sein.
»Und Lady Elisabeth? Weiß sie davon? Weilt sie immer noch in
Ashridge?«
»Courtenay gibt an, dass sie kurz vor der Heirat mit ihm stand
und dass sie sich Eures Thrones bemächtigen und gemeinsam regieren
wollten. Zum Glück hat der Bursche sich besonnen und ist rechtzeitig zu
uns gekommen. Sie weiß über alles Bescheid, sie hält sich bereit. Der
König von Frankreich wird ihren Anspruch unterstützen und ein Heer
schicken, das für sie um den Thron kämpfen soll. Vielleicht reitet sie
bereits in diesem Moment an der Spitze eines Rebellenheeres.«
Alle Farbe wich aus dem Antlitz der Königin. »Seid Ihr sicher?
Meine Elisabeth wäre zu meiner Hinrichtung gekommen?«
»Ja«, sagte der Herzog knapp. »Sie steckt bis zu ihren
hübschen Ohren in der Sache.«
»Gott sei Dank hat Courtenay uns davon berichtet«, warf der
Bischof ein. »Noch ist Zeit, Euch in Sicherheit zu bringen.«
»Ich hätte Courtenay mehr zu danken, wenn er nicht so
unvernünftig gewesen wäre, sich an dem Verrat zu beteiligen«,
unterbrach ihn meine Königin in scharfem Ton. »Euer junger Freund ist
ein Dummkopf, Mylord, und ein schwacher, illoyaler Dummkopf dazu.« Sie
wartete keine Verteidigung des jungen Dummkopfes ab. »Was sollen wir
nun tun?«
Der Herzog trat vor. »Ihr müsst sofort nach Framlingham
reisen, Euer Gnaden. Wir werden ein Kriegsschiff bereithalten, das Euch
nach Spanien bringen kann. Diesen Kampf könnt ihr nicht gewinnen. Wenn
Ihr erst mal in Spanien seid, könnt Ihr neue Gefolgsleute um Euch
scharen, vielleicht wird Prinz Philipp …«
Ich sah, wie ihre Hand sich um die Stuhllehne krampfte. »Es
ist erst sechs Monate her, dass ich aus Framlingham kommend in London
Einzug hielt«, machte sie geltend. »Damals wollte das Volk mich zur
Königin haben.«
»Ihr wart dem Herzog von Northumberland mit seiner Marionette
Königin Jane vorzuziehen«, erklärte er unverblümt. »Doch nun ist
Elisabeth auf den Plan getreten. Das Volk will den protestantischen
Glauben, es will die protestantische Prinzessin. Tatsächlich scheint
das Volk sogar bereit zu sein, dafür zu sterben. Euch hingegen mit
einem Prinz Philipp von Spanien als König an der Seite wollen sie nicht
haben.«
»Ich werde London nicht verlassen«, beharrte Königin Maria.
»Ich habe mein Leben lang auf den Thron meiner Mutter gewartet, ich
werde ihn nicht aufgeben.«
»Ihr habt keine Wahl«, warnte er sie. »In wenigen Tagen wird
ein Heer vor den Toren Londons stehen.«
»Bis es so weit ist, warte ich ab.«
»Euer Majestät«, flehte Bischof Gardiner. »Ihr könntet Euch
zumindest nach Windsor zurückziehen …«
Damit zog er sich vollends Marias Zorn zu. »Ich gehe weder
nach Windsor noch in den Tower noch woandershin – ich bleibe
hier! Ich bin Englands Prinzessin, und ich bleibe in meinem Palast, bis
sie mir sagen, dass man mich als Englands Prinzessin nicht mehr will.
Sprecht mir nicht von Weggehen, Mylords, ich werde es nicht einmal in
Erwägung ziehen.«
Der Bischof wich vor ihrem Zorn zurück. »Wie Eure Majestät
wünschen. Doch es sind unruhige Zeiten, und Ihr setzt Euer Leben aufs
Spiel …«
»Die Zeiten mögen unruhig sein, ich jedoch bin es nicht«, gab
sie feurig zurück.
»Ihr spielt sowohl mit Eurem Leben als auch mit dem Thron!«
Der Herzog schrie es fast.
»Das weiß ich!«, rief sie aus.
Er holte tief Luft. »Erteilt Ihr mir den Auftrag, die
königliche Garde sowie die Londoner Stadttruppen antreten zu lassen und
sie gegen Wyatt in Kent zu führen?«
»Ja«, sagte die Königin. »Aber es darf keine Belagerungen und
keine Plünderungen von Dörfern geben.«
»Das ist unmöglich!«, protestierte der Herzog. »In einer
Schlacht kann man nicht auch noch das Schlachtfeld beschützen!«
»Doch so lauten Eure Befehle«, sagte sie in eisigem
Weitere Kostenlose Bücher