Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
getan hätte? Vielleicht kann man den ganzen Mist auch erst vergessen und das wirklich Wichtige erkennen, wenn es zu spät ist. Verdammt noch mal, ich hab sogar seinen Nachnamen abgelegt, so sehr hab ich ihn gehasst. Hab den von meiner Mom angenommen. Mehr oder weniger. Meine Mutter war Mexikanerin und hieß Innez, sie hat ihn aber auf Innes abgewandelt, damit er sich nicht mehr so spanisch anhört. Ich hab ihn zurückgeändert. Ich wollte mehr der Sohn meiner Mutter als meines Vaters sein; mehr Mexikaner als Schotte.«
»Innes hört sich eigentlich ziemlich schottisch an.«
Endlich lächelte Zal wieder. Er aß mit der rechten Hand eine Gabel Salat, damit er mit der linken ihre nicht loslassen musste.
»Das hat mein Dad auch gesagt, als er sie angebaggert hat.«
»Wann ist eigentlich aus Sal Zal geworden?«
»Als ich mit neun die Sensational Alex Harvey Band im Fernsehen gesehen habe. Ich hab mir ein paar Alben und Poster von denen gekauft. Wenn ich da schon gewusst hätte, dass die aus Glasgow waren, hätte das meine Begeisterung sicher gedämpft, aber als ich das herausfand, war es schon zu spät.«
»Können wir das noch mal durchgehen? Sie haben den Nachnamen Ihres Vaters abgelegt, den Ihrer Mutter angenommen, aberzurückgeändert und dann noch Ihren Vornamen umgewandelt. Haben Sie auch einen zweiten Vornamen, und wenn ja, ist der noch intakt?«
»Oh ja. Der ist geblieben. McMillan.«
»Nach dem Premierminister?«
»Ja, aber nicht nach dem, den Sie meinen.«
»Ich glaube nicht, dass ich den meine, von dem Sie glauben, dass ich ihn meine.«
»Sagen Sie das mal mit dem Mund voll Linguini. Welchen meinen Sie denn?«
»Den kleinen.«
»Ian. Richtig. Aber das hatte ich ja ganz vergessen – ich hatte Sie Samstag vom Spiel weggeholt, oder?«
»Es sei Ihnen vergeben. Ian McMillan war natürlich ein bisschen vor meiner Zeit, aber ich hab die Geschichten gehört.«
»Wie Jim Baxter am Ende des Pokalfinales ’63 für ihn den Ball erkämpft hat. Ja, ich hab sie alle gehört. Mit den Geschichten bin ich aufgewachsen. Ich weiß noch – das ist sogar eine meiner frühesten Erinnerungen –, wie mein Vater draußen eine Party geschmissen hat, als sie 1972 den Pokal der Pokalsieger gewonnen haben. Die Nachbarn hatten keine Ahnung, was los war, aber hey, es gab Bier und Barbecue. Er musste einen Buchmacher im Caesars Palace anrufen, um dem Spiel zu folgen; die nehmen da Wetten auf Sportereignisse auf der ganzen Welt an, also hatten sie Kontakte bei den Presseagenturen. Ich weiß noch, wie mein Dad den ganzen Nachmittag auf dem Teppich auf- und ablief und alle paar Minuten zum Telefon griff. Irgendwann sank er dann auf die Knie, stand wieder auf, rannte herum und nahm mich und meine Mom in den Arm. Zum Glück hat er erst ein paar Tage später von den Unruhen nach dem Spiel gehört. Das hat ihn schwer mitgenommen.«
»Alles hat zwei Seiten. Die spanische Polizei hat deutlich überreagiert.«
»Ist das Ihre Meinung als Polizistin oder als Rangers-Fan?«
»Meine Meinung als Polizistin«, versicherte Angelique mit einem Lächeln. »Die sind mit voller Härte gegen Leute vorgegangen, die nur feiern wollten, was dumm genug war, und außerdem hatte ihnen wohl keiner gesagt, dass Glasgower es sich nicht gefallen lassen, wenn Faschisten mit Schlagstöcken auf sie losgehen.«
»Die Bullen haben den Kürzeren gezogen?«
»Oh ja. Die Katalanen haben die Sache nicht als Unruhen in Erinnerung, sondern als den Tag, an dem Francos Polizei ordentlich aufs Maul bekam.«
»Trotzdem wär’s schöner, wenn man sich nur an das gewonnene Spiel erinnern würde.«
»Stimmt. Ich nehm mir die Sache immer gleich zu Herzen und stürze mich voll in die Diskussion. Ich hab schon zu oft mit meinem Bruder über solche Themen gestritten. Er ist Celtic-Fan und sieht seinen Verein als Ideal liberaler Tugend. Ja, klar. Sonst verstehen wir uns super, aber beim Fußball sind wir wie ein Mini-Ökosystem, das die Sinnlosigkeit der Old-Firm-Streitereien veranschaulicht – das ist wirklich eine ungesunde Rivalität. Jede Seite will immer die andere und deren Leistungen und Geschichte schlechtmachen, bis am Ende beide beschissen aussehen. Deshalb denken die meisten Leute auch traurigerweise erst mal nicht an Fußball, wenn man die Rangers oder Celtic erwähnt.«
»Ja, das hat mein Dad mir mal erklärt … naja, so richtig erklären kann es wohl niemand. Er hat mir davon erzählt. Er fand es eine Schande, dass Schottland nicht einfach stolz auf
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