Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Und wenn James jemandem eröffnete, dass er für Celtic war (meistens ca. drei Minuten nach dem Kennenlernen), fragte ihn nie jemand, ob er ein IRA -unterstützender, Provo-bejubelnder, protestantenhassender, terroristensympathisierender Möchtegern-Ire war, der vor Fergus McCann noch nie ein Fußballstadion betreten hatte, Lieder sang, die Kindermörder glorifizierten, der die dreißigjährige Vertuschung des Missbrauchsskandals im Celtic Boys Club guthieß und die Entscheidung mittrug, Jock Stein nicht in den Vorstand zu lassen, weil er kein Katholik war, und der am Ende eines Abends im Pub immer etwas »für die Jungs« in den Spendeneimer warf.
Wenn sie James diese Ungleichbehandlung darlegte, erklärte er ihre Lage immer damit, dass die Rangers eben der »Verein des Establishments« seien. Wenn man bedachte, dass die Hälfte des schottischen Kabinetts Dauerkarten für Parkhead hatte und dass heutzutage jeder Schauspieler, Rockstar und Komiker, überhaupt jeder Prominente welcher Art auch immer, gerne seine lebenslange Liebe für die »Bhoys« bekundete, wusste Angelique nicht so recht, wer dieses »Establishment« eigentlich sein sollte. Außer natürlich, die ganzen Kamelhaarmantelträger auf dem Club Deck waren Teil eines geheimnisvollen Zirkels, der im Verborgenen die Geschicke des Landes lenkte. Hmmm. Das würde zumindest erklären, warum die Säcke nie die vollen neunzig Minuten bleiben konnten.
So unfair und frustrierend sie das alles fand, musste sie doch zugeben, dass es irgendwie zu ihr passte, dass sie diese Sonderstellung des Rangers-Fans aus ihrer Jugend im Erwachsenenleben beibehalten hatte. Es war immer ihr kleines Geheimnis gewesen, wie ein Laster, das umso spannender ist, weil niemand davon weiß. Vielleicht auch nicht unbedingt ein Laster, weil es nichts Unmoralisches an sich hatte, sondern eher ein Akt der Subversion. Auf einer Schule voller Celtic-Fans war sie der einzige echte Rebell.
Angelique hatte beschlossen, dass sie Rangers-Fan war, als sie auf die St Mary’s Primary in Leeside ging, bevor sie wusste, was die Rangers eigentlich waren, und bevor sie sich auch nur die Bohne für Fußball interessierte. Sie wusste nur, dass die, die etwas gegen sie hatten, auch etwas gegen die Rangers hatten, und zwar größtenteils aus denselben Gründen. Sie waren die anderen, das Fremde, dem man eine geschlossene Front präsentierte, in Abgrenzung zu dem man sich definierte, das man hasste. Wenn also die Kinder, die immer gemein zu dem kleinen braunen Mädchen mit dem komischen Namen waren, diese »Rangers« so schrecklich fanden, dann war das kleine braune Mädchen mit dem komischen Namen wohl auf deren Seite. Als sie das beschlossen hatte, wollte Angelique herausfinden, wer ihre neuen Verbündeten eigentlich waren.
Sie trug diesen Entschluss aber nicht offen vor sich her, weil sie sowieso schon das offensichtlichste Ziel für Beschimpfungen aller kleinen Fieslinge war. Stattdessen wurde er für sie zu einer Form des heimlichen Widerstands, wie wenn sie den anderen unter der Jacke den Mittelfinger zeigte. Von da an hasste sie den Montag immer ein bisschen weniger, wenn sie am Samstagabend gehört hatte, dass die Rangers gewonnen hatten oder dass Celtic verloren hatte. Die Siege der Rangers waren ihre Siege, Celtics Niederlagen waren die Niederlagen jedes kleinen Scheißers, der sie jemals »Schokodrops« genannt hatte. Schon bald sah sie sich zuerst immer die letzten Seiten der Zeitung an und konnte sonntagnachmittags kaum abwarten, dass Glen Michael’s Cartoon Cavalcade vorbei war, damit endlich Scotsport anfing. Mit der Zeit wurde natürlich der Wunsch, ein Spiel im Stadion zu sehen, so groß wie unerreichbar.
Als sie aufs Sacred Heart kam, ging James schon lange mit seinen Kumpels zu den Celtic-Spielen, wodurch er sich Angeliques Meinung nach eine Vorzugsbehandlung durch die Schlägertypen der Schule erkauft hatte. Anscheinend glich es selbst die falsche Hautfarbe aus, wenn man ein Celtic-Fan war. Außerdem spielte ihr Bruder im Schulteam, weshalb er einen gewissen Sonderstatus genoss, auf den Angelique aber wirklich nicht scharf war, zumal ihr diese Option auch nicht offenstand. Denselben sporterzieherischen Prinzipien folgend, die Mädchen nur eine absolut freudlose Variante von Basketball ohne Rückbrett, Dribbeln oder Taktik erlaubten, durfte Angelique nur in die Hockeymannschaft, obwohl sie in jeder Pause mit den Jungs Fußball spielte und darin besser war als die meisten von ihnen. Das
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