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Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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Holzhammer automatisch. Und Scheiße, Scheiße, Scheiße, dachte er.
    «Was denn sonst?», fragte Kühne.
    «Mankeifett», antwortete Holzhammer geistesabwesend.
    Der Preuße war jetzt völlig verwirrt. «Wie bitte?», fragte er.
    «Fett vom Mankei, vom Murmeltier», übersetzte Holzhammer.
    «Mein Gott, Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass man bei Ihnen Murmeltiere auspresst und zu Marmelade verarbeitet.»
    «Nein, nein. Meistens zu Öl oder Salbe. Das hilft gegen Rheuma und Fußblasen.» Holzhammer hörte, wie am anderen Ende der Leitung geschluckt wurde. Und das lenkte ihn für den Moment sogar von dem Giftmord ab. Die Möglichkeit, einen Preußen anzutreiben, konnte er sich nicht entgehen lassen. Die Antreiberei war eine anerkannte Sportart in Berchtesgaden. Mit Preußen ging das immer am besten.
    «Nehmen Sie mich nicht auf den Arm», tönte es aus dem Telefonhörer.
    «Fragen Sie doch Ihren Gerichtsarzt», sagte Holzhammer gelassen. «Aber erst erzählen Sie mir, was Sie jetzt eigentlich von mir wollen.»
    «Schon gut, lassen wir das. Also die Schwiegermutter, die den Mord leugnet, hat dieses Zeug bei Ihnen im Ort gekauft. Anscheinend gibt es das ja auch tatsächlich nur bei Ihnen – was mir angesichts der Inhaltsstoffe kein Wunder zu sein scheint.»
    «Also Gift ist normalerweise nicht drin», bemerkte Holzhammer trocken, «das tun wir erst zum Ende der Saison rein, wenn wir von den Touristen genug haben.» Er kreiselte in seinem Drehsessel, und sein Blick wanderte über das Regal hinter seinem Schreibtisch. Da lagen ein Rucksack, zwei Trinkflaschen und zwei Beweismitteltüten, die eine mit Müsliriegeln, die andere mit Papierservietten. Sakra, die Sachen mussten so schnell wie möglich untersucht werden. Und er musste unbedingt mit Christine sprechen. Die Proben von den beiden Toten mussten ebenfalls ins Labor – bislang standen sie ja noch unberührt im Leichenkeller der Kreisklinik. Und mit seinem sogenannten Chef musste er nun wohl auch dringend mal Klartext sprechen. Aber zuerst musste er den Hannoveraner am Telefon loswerden. «Was brauchen Sie denn nun von mir?»
    Der Hauptkommissar zählte seine Wünsche auf: «Also für meinen Bericht hätte ich gerne ein paar Infos über den Produktionsprozess und den Vertriebsweg dieses Brotaufstrichs. Ist es möglich, dass in der Fabrik versehentlich Gift hineingelangte? Wo wird das Zeug genau verkauft? Eventuell ein paar Stichproben von anderen Gläsern. Sie wissen schon …»
    Fabrik ist gut, dachte Holzhammer. Ins Telefon sagte er: «Verstanden, ich kümmere mich drum.»
    Den sogenannten Produktionsprozess brauchte Holzhammer nicht zu recherchieren – er kannte ihn nur zu gut. Natürlich hatte er dem Preußen nicht gesagt, dass Resis gesunder Brotaufstrich seit Jahrzehnten von seiner eigenen Familie produziert wurde. In einem alten Holzschuppen. Resi war Holzhammers Großtante gewesen. Sie hatte zur Produktion allerdings nie etwas anderes beigesteuert als ihren Namen, denn das Auskochen des Fettes war eine ziemlich widerliche Angelegenheit. Dafür war seit jeher Holzhammers Großonkel Sepp verantwortlich gewesen. Auch heute noch besserte er sich mit dem Geschäft die Rente auf, Großtante Resi war inzwischen gestorben. Als Holzhammer noch ein kleiner Franz gewesen war, hatten seine Eltern darauf bestanden, dass er jeden Tag mindestens ein Brot mit Resis gesundem Brotaufstrich zu sich nahm. Trotzdem war er nur 1 , 65  m groß geworden.
    Die Mankei hatte der Onkel früher von österreichischen Jägern bezogen, heute kamen sie vorwiegend aus Russland. Und auch die Kräuter, die er hinzusetzte, waren keineswegs so bayerisch, wie einen das Etikett glauben machen wollte. Er kaufte sie seit Jahr und Tag bei dem gleichen Großhändler, der die «heimischen Gebirgskräuter» auf großen Feldern in der Türkei und in Asien anbauen ließ und damit ganz Europa belieferte. Die gleiche Mischung, die in Deutschland und Österreich als «Alpenkräuter» verkauft wurde, hieß in Spanien «Pyrenäenkräuter» und in Ungarn «Puztakräuter». Es war also völlig ausgeschlossen, dass der Onkel aus Versehen irgendwelche Giftpflanzen in seine Mixtur getan hatte. Und wenn beim Großhändler etwas schiefgelaufen wäre, dann hätte das sicher schon längst hohe Wellen geschlagen. Trotzdem würde Holzhammer seinem Großonkel einen Besuch abstatten.
    In diesem Moment ging Holzhammer auf, dass die Schlussfolgerungen des norddeutschen Kollegen möglicherweise völlig falsch waren.

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