Die Homoeopathie-Luege
Ãffnung der universitären Medizin nennt Albrecht deren Wunsch, »auf dem Markt bestehen zu können« und mit »sanfter Medizin den Turnaround zu schaffen«. Firmen und Stiftungen mit alternativmedizinischer Ausrichtung würden mit ihren Sponsorengeldern für Studenten und Professoren obendrein dazu beitragen, die Universitäten »im Ranking der Medizinischen Hochschulen ganz nach oben zu hieven«. Am Ende fragt Albrecht: »Was kommt als Nächstes? Pendeln? Geistheilen?« Und er schlieÃt mit einem düsteren Ausblick: »Die Hokuspokus-Welle rollt. Die Hochschulmedizin ist drauf und dran zu kapitulieren.«
Doch auch die Zeit tut sich mitunter schwer, esoterisches Gedankengut ganz aus dem Blatt zu verbannen. So brach drei Monate nach Albrechts Attacke in einem bereits auf der Titelseite angekündigten Schwerpunktthema »Das Geheimnis der Homöopathie« (09.12.2010) im Ressort »Wissen« doch wieder der Wunsch nach Ausgewogenheit durch â was der Zeitung ein überschwängliches Lob der Ersten Vorsitzenden des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ãrzte Cornelia Bajic einbrachte: »Dieser Artikel ist ein Meilenstein. Nicht oft beschäftigt sich eines der groÃen deutschen Leitmedien ausführlich und gleichzeitig differenziert mit der Homöopathie â inklusive Pro- und Kontra-Statements.«
Jenes Pro-Statement, das es Bajic vermutlich besonders angetan hatte, ist überschrieben mit: »Ein Beweis namens âºIchâ¹.« Da das »Ich«, also der subjektive Einzelfall, hinsichtlich der Wirksamkeit eines medizinischen Verfahrens keinen »Beweis« liefern kann, macht der Autor Jens Jessen somit ein Paradoxon zu seinem Leitmotiv. Man ahnt also schon, wohin die Reise geht. Der »gelassene Pragmatismus«, für den Jessen plädiert, sieht dann so aus: »Ich bin kein Esoteriker. Ich glaube nicht an die Homöopathie; ich nehme die Kügelchen einfach so.« Jessen bezeichnet zwar das »anthroposophische Gerede vom Ganzheitlichen« als »Humbug« und gibt zu, dass die naturwissenschaftlichen Skeptiker die »Logik und alle medizinischen Argumente auf ihrer Seite« hätten. Aber dass er mit den Kügelchen nicht nur sich, sondern auch Kind und Hund erfolgreich heilen könne, beweise doch, dass sie wirken müssten. Ein Widerspruch? Von wegen! Denn: »Aus dem Umstand, dass sich etwas nicht erklären oder mit gegenwärtigen Methoden nicht nachweisen lässt, folgt keineswegs, dass es nicht existiert.« Ein universell verwendbarer Satz, den sich zum Beispiel sein homöopathisch geheiltes Kind notieren sollte. Wenn es einmal die Schule schwänzt und vom Nachbarn beim Herumlenzen in der Stadt ertappt wird, kann es den Vorwürfen des Vaters forsch entgegnen: Natürlich hätte es die Schulbank gedrückt! Die Erscheinung in der Stadt wäre nur die verschränkte Projektion seines Selbst gewesen. Kann nicht sein? Siehe oben!
Täglich ein Beitrag
Wie viele Publikationen es zur Homöopathie gibt, weià der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ãrzte, zumindest wie viele, die unter seiner Mithilfe entstanden sind. Im Jahr 2010 registrierte der DZVhà insgesamt 176 Beiträge allein im Printbereich, plus etwa noch einmal so viele in Funk, Fernsehen und im Internet. Im Schnitt erscheint also etwa jeden Tag ein Beitrag unter Mitwirkung des Zentralvereins. Auffällig ist eine Häufung in bestimmten Monaten: Während im Oktober 2010 nur drei Printbeiträge erschienen, waren es im Juli 52, von denen 46 in nur einer Woche gedruckt wurden. Ursache des geballten Medieninteresses war der Vorstoà Karl Lauterbachs, Kassen das Bezahlen der Homöopathie zu verbieten.
»Mitwirkung des DZVhë kann vieles heiÃen, beispielsweise dass man nur Rede und Antwort stand und die Beiträge deshalb nicht unbedingt im Sinne der Homöopathie ausfielen. So finden sich in der Liste auch der Zeit -Artikel von Jörg Albrecht, Meldungen der erklärten Widersacher von der GWUP sowie eine zehnseitige Spiegel -Titelgeschichte mit der Ãberschrift »Der groÃe Schüttelfrust« (12.07.2010). Darin beklagen die Autoren Markus Grill und Veronika Hackenbroch, wie populär die Homöopathie sei, obwohl sie auf »irrational scheinenden« Grundprinzipien beruhe und inzwischen Hunderte Studien »nicht den geringsten überzeugenden Beweis« für eine über den
Weitere Kostenlose Bücher