Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
Großartig, nun haben wir einen gefunden. Also machen wir weiter, einverstanden?«
»Von mir aus.« Kaleb kniete sich in den Schlamm neben den einäugigen Giganten, legte eine Hand auf den Hals der Kreatur und begann eine Beschwörung zu murmeln.
Mellorin wollte ihn nicht unterbrechen und trat zu ihrem mürrischen Onkel. »Möchtest du mir vielleicht sagen, was wir hier genau machen? Als Kaleb davon geredet hat, dass wir in diesen dämlichen Sumpf gehen müssten, hat er zwar gesagt, dass es uns helfen würde, einen Oger aufzuspüren, aber er hat mir nicht erklärt, inwiefern.«
Jassion zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht weiter kompliziert. Kaleb kann das Blut eines Verwandten benutzen, um Personen aufzuspüren, solange sie nicht mit Zaubern geschützt sind. Einer der alten Leutnants deines Vaters war ein Oger. Sie alle gehören ein und demselben Stamm an,
demnach kann uns jeder Oger zu ihm führen. Jedenfalls hoffen wir das.«
»Meint ihr Kavro?«, fragte Mellorin, während sie ihre Erinnerungen nach den alten Kriegsgeschichten durchforstete.
»Davro«, korrigierte ihr Onkel sie. »Ja, genau den.«
Sie sahen zu, wie der Hexer konzentriert arbeitete, und verschränkten beide die Arme.
»Ist das der Grund, warum du mich mitgenommen hast?«, fragte sie schließlich. »Wolltest du mein Blut benutzen, damit ihr meinen Vater leichter findet?«
»Zuerst ja«, gab Kaleb zu und erhob sich. »Corvis ist zwar geschützt, aber der Bann könnte sich trotzdem als nützlich erweisen. Nur«, setzte er hinzu, während seine Stimme und seine Miene weicher wurden, »das ist längst nicht mehr der einzige Grund.«
Ihre Miene blieb undurchdringlich.
»Haben wir, was wir benötigen?«, fragte Jassion ihn.
»Ja. Solange er nicht auf die Idee kommt, sich die Gegend anzusehen, bevor wir dort sind, kann ich uns direkt zu ihm bringen.«
»Gut. Dann brauchen wir ihn ja nicht mehr.«
Mellorin keuchte und machte mit ausgestreckten Händen einen Schritt nach vorne, aber sie konnte nichts ausrichten. Jassion zückte Kralle aus der Scheide, die über seinem Rücken hing, und schlug brutal zu. Das Wasser wurde rot, und der Kopf des Ogers prallte vom Baumstumpf ab, bevor er sanft in den Wellen des Sumpfes davontrieb.
Nachdem er seine finstere Pflicht erledigt hatte, trat der Baron einen Schritt zurück und fiel erneut ins Wasser, als seine Nichte ihn voller Wut umstieß. Er starrte sie an, spuckend und keuchend, zu schockiert, um auch nur ärgerlich zu sein.
»Das war nicht nötig!«, kreischte sie ihn an. »Er war keine Gefahr für uns! Wir hätten einfach nur weggehen können.«
»Mellorin …«
»Mein Vater ist offenbar nicht das einzige Monster, mit dem ich es hier zu tun habe.«
»Mellorin, das war ein verdammter Oger!« Überrascht, weil seine Erklärung offenbar nicht ausreichte, blinzelte er nur, als sie ihn böse anknurrte und so steifbeinig davonstapfte, wie der Sumpf es erlaubte.
Kaleb sah dem Mädchen ebenfalls nach und runzelte nachdenklich die Stirn. Dabei machte er keinerlei Anstalten, Jassion aus dem Schlamm zu helfen.
14
Der schreckliche Lärm und die erdrückende Hitze wetteiferten förmlich darum, den Schankraum der Herberge zum Dritten Laken in Besitz zu nehmen, während der zum Schneiden dichte Gestank aus Alkohol und Körperausdünstungen im Hintergrund darauf wartete, den Gewinner herauszufordern. Fensterläden und Eingangstür standen sperrangelweit auf und wurden von Stöcken oder Steinen offen gehalten, aber das laue Lüftchen, das durch den Schankraum wehte, das Sägemehl vom Boden aufwirbelte und das Haar auf vielen Köpfen zerzauste, war der brütenden Hitze nicht gewachsen.
Obwohl der Rest der Stadt den Sommer längst hinausgeworfen hatte, schien er hier immer noch das Zepter zu schwingen, wo sich so viele Körper aneinanderdrängten, wo die Luft vom heißen Atem von Gelächter und Gesprächen erfüllt war, zusätzlich gewürzt mit dem Rauch der Küchenfeuer.
Angesichts des eher geistreichen Namens hatte Corvis etwas mehr vom Dritten Laken erwartet, aber es war bloß eine Schänke wie jede andere auch. Tische und Stühle waren ohne ersichtliche Anordnung kreuz und quer im Raum verteilt. Arbeiter und Handwerker, von denen einige ebenso wackelig waren wie die Möbel, hockten an den Tischen oder standen am Tresen, der aus einem einzigen, gewaltigen Baumstamm geschreinert war. Kellnerinnen mit ausgemergelten
Gesichtern und von blauen Flecken übersäten Hintern drängten sich durch das Gewühl
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