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Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers

Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers

Titel: Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ari Marmell
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vielmehr dass du zulässt, vergessen zu können, dass jeder Einzelne von ihnen eine Persönlichkeit ist. Du redest über Imphallion, als wäre es ein Wesen, weil du das so siehst, denn das ist für dich der einzige Weg, der dir erlaubt, etwas zu empfinden. Du hast es auf deine Liste mit wertvollen Individuen gesetzt, und alle anderen können sich zum Teufel scheren. Ich glaube, dass du dich so sehr auf diese wenigen konzentriert hast, an denen dir etwas liegt, dass dir niemals klar geworden ist, dass alle anderen genauso sind wie sie. Ich glaube, dass du in deinem Innersten so tief verletzt bist, dass du nur ein gewisses Maß an Mitgefühl aufbringen kannst. Und auf je mehr Leute du das verteilen musst, desto spärlicher wird das Mitgefühl.«
    Er sah sie an, sagte jedoch nichts.
    »Dir liegt etwas an Menschen, ja. Deine Gefühle gehen tief und sind durchaus leidenschaftlich. Aber das gilt nur für einige wenige, weil niemand anders für dich eine Person ist. Wenn du so tust, als ob all dein Handeln darauf beruht, dass du für das Volk agierst, statt für die Handvoll Menschen, die dir etwas bedeuten, dann ist das die größte Lüge, die du dir selbst jemals aufgebunden hast.«
    Corvis starrte in seinen Krug und umklammerte ihn mit allen zehn Fingern, aus Furcht, er könnte sonst vielleicht zuschlagen. »Selbst wenn«, er räusperte sich und hustete zweimal, »all das stimmt, warum sagst du mir das? Welchen Unterschied macht das schon?«
    »Weil ich auch glaube …« Jetzt machte sie eine Pause. Ihre Stimme war weicher geworden, klang so weich, wie er es nicht mehr gehört hatte, seit sie Rahariem verlassen hatten. Er hätte gern hochgeblickt, um zu überprüfen, ob ihr Gesicht
ebenfalls weicher geworden war, wagte es jedoch nicht. »Weil ich denke, das Tyannon recht hatte. Ich denke, du könntest tatsächlich Cerris sein statt Corvis Rebaine. Es wäre schön, wenn du es wärst. Aber ich glaube, du weißt nicht, wie das geht, und ich nehme auch nicht an, dass einer von uns jemals in der Lage sein wird, es dir zu zeigen.«
    Als Corvis sich endlich gezwungen hatte, den Kopf zu heben, war sie vom Tisch verschwunden. Einen Moment lang, als die Schänke hinter der Erinnerung an einen Blumengarten neben einer verfallenen alten Kirche verschwand, wusste er nicht, ob es Irrial gewesen war, die gerade gegangen war, oder Tyannon.

22
    Als die drei staubbedeckten Reisenden die breiten Steinstufen hinaufstiegen, traten die Wachen an der Tür ihnen in den Weg. Offenbar gab es jetzt auch vor der Tür Wachen, zusätzlich zu dem allgegenwärtigen Schreiber. Jassion marschierte vorneweg, zielstrebig, arrogant und ohne die geringste Spur der schrecklichen Verletzung, unter deren Folgen er bis zum Ende seiner Tage leiden würde. Ihm folgten zwei Gestalten in den zwar teuren, aber relativ schlichten Gewändern von Lakaien. Die Frau hielt einen älteren Mann untergehakt, der kleine, zögerliche Schritte machte, als wäre er verletzt oder krank.
    In Wirklichkeit biss er die Zähne vor Anstrengung zusammen, aber nicht vor Schmerz, sondern weil er sich darauf konzentrierte, drei verschiedene Bilder fest im Sinn zu behalten. Es wäre ihm leichter gefallen, wenn er nicht unter den Nachwirkungen von Khandas Angriff gelitten und wenn seine Seele nicht in seinem Körper die Hände gerungen hätte, erschüttert vor Furcht um Mellorin und Seilloah. Wenn er wirklich auf der Höhe gewesen wäre.
    Aber letzten Endes auch nur ein bisschen leichter.
    Während Jassion leise, aber gebieterisch mit den Soldaten sprach, blickte Corvis in den Himmel, durch die Illusion hindurch, die seine Gesichtszüge maskierte. Die obersten Stockwerke der Großen Halle der Zusammenkunft vermischten sich mit dem bewölkten Himmel, Grau gegen noch dunkleres Grau. Nur ein paar vereinzelte Fenster und gelegentlich
Krähen und Spatzen, die auf dem Rand des Daches saßen, hoben das dunklere Gebäude von den Wolken ab.
    »Die ganze Sache ist mir alles andere als geheuer, Corvis«, flüsterte Irrial ihm ins Ohr.
    »Sie können unsere realen Gesichter nicht sehen«, rief er ihr in Erinnerung.
    »Zum Glück hat es beim letzten Mal so ausgezeichnet funktioniert!«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wir haben mehrere Wochen im Sattel verbracht, und ich habe mich immer noch nicht von der Erfahrung erholt, die zu den fünf schlimmsten in meinem Leben zählt. Mein Kopf fühlt sich an wie ein Sack Mehl, den jemand im Regen vergessen hat und auf dessen Rückgrat zwei Oger gerade Walzer

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