Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
dass einige Baronien bereits beschlossen haben zu reagieren und auf die Gilden pfeifen. Sie bereiten sich auf eine Mobilisierung vor. Auf jeden Fall wird es bald eine große Nachfrage nach Riga geben, und die Söldnerkompanien halten sich bereit.«
»Und?«, hakte der Hexer nach.
»Zufälligerweise hat ein gewisser Hauptmann namens Losalis östlich von Pelapheron sein Lager aufgeschlagen. Wenn wir die Pferde antreiben, können wir schon bald dort sein.«
»Bist du dann nicht froh?«, erkundigte sich Mellorin, als sie sich daranmachten, die Pferde zu satteln.
»Froh worüber?«
»Dass Kaleb deinen Wutanfall gestoppt hat, bevor du dein Pferd filetiert hast, als wäre es dieser alberne Fisch auf deinem Wappenrock.«
Der Hexer kicherte über Jassions Miene, die weit deutlicher als jedes Wort und weit lauter verkündete: Mellorin könnte ruhig etwas weniger nach ihrem Vater kommen.
Sie rannte, immer weiter, obwohl noch so viele endlose Meilen vor ihr lagen. Zweige und Steine rissen ihr die Füße blutig, und die warme Luft brannte in ihren keuchenden Lungen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal so erschöpft gefühlt hatte, so quälend schwach, wann sie sich so verzweifelt danach gesehnt hatte, sich hinzulegen und zu schlafen.
Trotzdem rannte sie immer weiter, durch einen Nebel von Verwirrung und Erschöpfung und, ja, das gab sie in den wenigen Augenblicken der Selbsterkenntnis zu, von Furcht. Ab und zu blieb sie stehen, trank ein paar Schluck Wasser aus einem Fluss oder einer Pfütze, jagte ein kleines Beutetier
oder Reh, orientierte sich aufs Neue, blieb wieder stehen und fühlte den magischen Zug von jemand anderem, von jemandem, der sie zu seinem Geschöpf gemacht hatte. Früher, vor nicht allzu langer Zeit, wäre es eine Sache von wenigen Augenblicken gewesen, eine Kleinigkeit, die von einem Bann gewirkte Spur zu erwittern. Aber jetzt? Nun hämmerte ihr Schädel vor Schmerz, das Blut rauschte in ihren Ohren, und sie hätte beinah vor Frust über die Mühe, die es sie kostete, geschluchzt.
Erneut tastete sie um sich, bis sie die magische Fährte spürte, und rannte wieder los. Sie musste ihn finden, sie musste ihn erreichen.
Corvis musste es erfahren, bevor es zu spät war. Bevor das bisschen Zeit, das ihr geblieben war, zu Ende ging.
Bevor sie starb … erneut starb.
Vielleicht war es Zufall, vielleicht aber auch der Wille eines gereizten Gottes, jedenfalls hatten die sommerlichen Regenfälle es geschafft, Pelapheron vollkommen zu umgehen. Die Felder um die Stadt herum waren trocken, das Korn wuchs nur spärlich, und unter den Füßen des Reisenden knirschte trockenes Gras. Bis jetzt war die Situation zwar noch nicht derart eskaliert, dass man von einer Dürre oder Hungersnot sprechen konnte, aber die Vorräte wurden allmählich knapp und immer teurer. Es war, ehrlich gesagt, kein besonders guter Ort für eine Armee, um ein Lager aufzuschlagen, ganz gleich, wie klein sie auch sein mochte.
Was paradoxerweise, man könnte sogar sagen perverserweise, der Grund dafür war, dass Losalis genau diese Stadt ausgewählt hatte. Ja, Rationen und Ausrüstung für seine Männer würden sich zwar als ausgesprochen kostspielig erweisen, aber sie würden auch die einzige Söldnerkompanie hier sein, und das bedeutete, sie konnten von den örtlichen
Machthabern jeden Preis verlangen, sobald diese den Schleier der Dummheit abgeworfen und begriffen hatten, dass sie handeln mussten.
Jedenfalls war das die Erklärung, die Jassions Kontaktleute ihm gegeben hatten und die er seinerseits an Kaleb und Mellorin weiterreichte, als diese sich lautstark wunderten, was den Hauptmann der Söldner veranlasst haben könnte, in einem derartig gebeutelten Terrain zu kampieren. Nach allem, was Jassion über Losalis wusste, konnte er das auch gut glauben: Der Mann, der einmal Corvis Rebaines Leutnant gewesen war, war felsenfest davon überzeugt, dass man sich von der Masse unterscheiden musste.
Bedauerlicherweise, wie die drei Reisenden gerade eben erfahren hatten, akzeptierte Losalis nur ganz bestimmte Formen von Aufmerksamkeit.
»Ich habe Euch doch gesagt«, knurrte Jassion und versuchte seine Stimme unter Kontrolle zu halten, »dass dies hier wichtig ist.«
»Und ich habe Euch gesagt«, erwiderte einer der barschen, schmutzigen, aber schwer bewaffneten Männer, die den gewundenen Wildpfad blockierten, auf dem sie ritten, »dass der Hauptmann niemand anderen sehen will als einen möglichen
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