Die Hornisse
Erklärung von der hübschen jungen Kellnerin, die mit einem Wagen voll rohen Fleisches und lebenden Langusten, die ihm mit zusammengebundenen Scheren zuwinkten, an seinen Tisch kam. Er bestellte stets ein New York Strip, medium, eine Folienkartoffel nur mit Butter und einen Tomatensalat mit gehackten roten Zwiebeln und dem berühmten Roquefort-Dressing des Hauses. Dazu genehmigte er sich reichlich Jack Black on the rocks. Am nächsten Morgen stand ein Frühstück mit Cahoon und dem Leiter der Abteilung Risikokapital, dem Leiter der Abteilung Firmenkredite, dem Leiter der US Bank South sowie ein paar weiteren Präsidenten auf dem Plan. Es war reine Routine. Sie würden an einem höchst eleganten Tisch in Cahoons höchst elegantem Olymp sitzen. Nach Mauneys Wissen gab es weder eine Krise noch gute Neuigkeiten, nur wieder dasselbe, und seine schlechte Laune steigerte sich. Die Bank war 1874 von seinen Vorfahren gegründet worden, und eigentlich sollte Mauney es sein, der es sich in der Krone da oben bequem machte und sein Schwarzweißfoto regelmäßig im Wall Street Journal abgebildet fand. Mauney haßte Cahoon, und wann immer sich die Möglichkeit bot, verspritzte er Gift gegen seinen Boß, verbreitete üble Gerüchte, die versteckte Anspielungen auf seine exzentrischen Neigungen enthielten, seine mangelnde Urteilsfähigkeit, Dummheit und niederträchtigen Motive, die hinter dem Guten steckten, das Cahoon in der Welt getan hatte. Wie immer bat Mauney um ein Doggie Bag, schließlich wußte er nie, ob er vielleicht später in dem luxuriösen Parkhotel am Southpark Mall nicht noch einmal Hunger bekam.
Er bezahlte die Rechnung von dreiundsiebzig Dollar und siebzig Cent und ließ zwei Prozent weniger Trinkgeld als die gewohnten fünfzehn auf dem Tisch liegen. Auf den Cent genau errechnet hatte er diesen Betrag mit Hilfe eines hauchdünnen Taschenrechners, den er stets in seiner Brieftasche trug. Die Kellnerin hatte ihn zu lange auf seinen vierten Drink warten lassen, und daß sie viel zu tun hatte, ließ er nicht gelten. Auf dem Bürgersteig vor dem Restaurant an der West Trade Street standen wie immer die Parkdiener bereit. Mauney stieg in den gemieteten schwarzen Lincoln Continental und verspürte nicht die geringste Lust, schon zu seinem Hotel zurückzukehren.
Er dachte flüchtig an seine Frau, ihre zahllosen chirurgischen Eingriffe und sonstigen medizinischen Hobbies und überschlug deren Kosten. Was er in einem Jahr für sie ausgab, übertraf jede Vorstellung, und kein einziger dieser vielen Schnitte und Stiche hatte ihr Aussehen wirklich verbessert. Sie war eine Schaufensterpuppe, deren Lebensinhalt aus Kochen und dem Besuch von Cocktailparties bestand. Irgendwo, tief in Mauneys Bankergedächtnis vergraben, lag noch die Erinnerung an eine Polly, die er bei Sweetbriar kennengelernt hatte. Damals, im Mai, war er zusammen mit einem Wagen voller Kumpel an einem Samstagabend zum Tanz dorthin gefahren. Sie war bezaubernd gewesen in ihrem blauen Kleid, aber herangelassen hatte sie ihn nicht.
Der Zauber war geschehen. Er mußte sie sofort haben. Doch Polly war immer beschäftigt, schwer zu erreichen und gleichgültig. Er begann, sie zweimal täglich anzurufen.
Hoffnungslos vernarrt tauchte er auf dem Campus auf. Natürlich wußte sie genau, was sie tat. Sorgfältig war sie zu Hause, im Internat und auf dem exklusiven Mädchencollege auf derartige Situationen vorbereitet worden. Sie wußte, wie Männer reagierten, wenn ein Mädchen ihre Aufmerksamkeiten bemerkte. Polly spielte die Rolle der Unzugänglichen gut. Sie wußte, daß Mauneys Herkunft und Brieftasche genau dem entsprachen, was man ihr von Kindheit an prophezeit hatte, weil es ihre Bestimmung war und ihr Anrecht. Vierzehn Monate nach ihrer ersten Begegnung, oder genauer exakt zwei Wochen nach Pollys Collegeabschluß cum laude in Englisch, heirateten sie. Dieses Examen befähigte sie nach Meinung ihres frischgebackenen, stolzen Ehemanns in besonderem Maße zum Verfassen von Einladungen und Dankeskarten. Mauney konnte nicht mehr festmachen, wann genau die zahlreichen physischen Probleme seiner Frau begonnen hatten. Ihm schien, sie hatte noch Tennis gespielt, gut in Form und das Glück genießend, das er ihr noch bis nach der Geburt ihres zweiten Kindes ermöglichte. Frauen. Mauney würde sie nie verstehen. Er war jetzt auf der Fifth Street und fing an, ziellos durch die Straßen zu fahren, wie er es immer tat, wenn er in Gedanken war. Der Anblick des Nachtlebens
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