Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
baten mich, mit ihnen auszugehen, aber wie Beni zutreffend feststellte, hatte ich noch nie einen richtigen Freund, und fast alle hatten aufgehört, mir nachzustellen. Die meiste Zeit verbrachte ich mit Lucy Adamson, einem Mädchen aus meiner Klasse, das mindestens zehn Kilo Übergewicht hatte und sehr intelligent und sehr schüchtern war.Von Zeit zu Zeit lernten wir zusammen, aber ich erzählte ihr nie persönliche Dinge und ganz besonders nichts über Beni und mich.
Am Donnerstag wollten Beni und ich nach der Schule wie üblich nach Hause gehen. Da ich mich einverstanden erklärt hatte, ihr bei Mama zu helfen, war sie wieder die Alte, redete pausenlos, erzählte mir von Carlton, seinen Vorlieben und Abneigungen, seiner Lieblingsmusik, sogar von seinen Lieblingsgerichten. Mir wurde klar, dass sie wirklich total in ihn verknallt war. Auf gewisse Weise war ich ein wenig eifersüchtig. Es war, als hätte dieses starke Gefühl für einen Jungen ihre Welt verändert, den trostlosen Grautönen,
die sie umgaben, Farbe verliehen. Ihre Stimme klang heller, voller Vorfreude, voller Glocken und Musik. Sie sprach über ihre Haare, ihre Kleidung und wünschte, sie könnte ein paar von meinen Sachen tragen.
»Wäre das nicht schön, wenn wir die gleiche Größe hätten, Rain? Warum musste ich mit so breiten Hüften geboren werden, und schau dir an, wie schmal deine Schultern sind. Ich habe Schultern wie ein Footballspieler«, stöhnte sie.
»Nein, das stimmt doch nicht, Beni. Es können doch nicht alle gleich aussehen. Du hast eine gute Figur. Ich kenne viele Mädchen, die gerne so aussähen wie du.«
»Ja? Wer denn? Lucy Adamson?«, fragte sie.
»Genau, und viele andere auch.«
»Findest du wirklich, ich bin hübsch, Rain?«
»Ja, und ich sage das nicht nur, weil du meine Schwester bist, Beni. Du hast wunderschöne Augen.«
»Mama sagt nie so etwas.«
»Doch, das tut sie«, widersprach ich. »Ich habe es selbst gehört.«
»Wenn sie das getan hat, muss es schon lange her sein. Ich kann mich nicht daran erinnern.« Sie war einen Moment lang traurig, dann strahlte sie wieder. »Schau doch mal, ob du Roy dazu bewegen kannst, mir am Freitag seine Lederjacke zu leihen. Das macht er, wenn du ihn darum bittest, Rain. In der Jacke sehe ich richtig stark aus. Fragst du ihn? Machst du’s?«
»Okay«, versprach ich lachend. »Aber bestimmt würde er sie dir auch leihen, wenn du ihn selbst fragst.«
»Nein, würde er nicht. Er würde wieder damit anfangen, dass ich wie ein Junge aus einer Jugendgang bin. Er will nicht, dass ich gut aussehe.«
»Oh Beni, hör auf, so an ihm herumzunörgeln. Er liebt dich. Weil Ken ständig davonrennt, fühlt Roy sich für uns verantwortlich. Es ist nicht einfach, unser großer Bruder zu sein.«
Sie schaute mich mit schief gelegtem Kopf und eingezogenen Lippen an.
»Manchmal redest du, als wärst du zwanzig Jahre älter als ich, Rain. Dann frage ich mich, wie wir beide unter dem gleichen Dach aufgezogen wurden.«
Ich fing an zu lachen, aber es wurde nur ein kurzes Lächeln, weil direkt vor uns, an ein Auto gelehnt, Jerad Davis stand. Als er uns sah, richtete er sich auf. Er trug die gleiche Kleidung wie im Oh Henry’s, sah aber noch hässlicher und Furcht einflößender aus, als er lächelte und auf uns zuschlenderte.
»Schau mal einer an, in wen ich da reingelaufen bin, das Regenmädchen persönlich«, witzelte er.
Beni blieb stehen, den Mund weit geöffnet. Sie schaute mich voller böser Vorahnung an. Ich starrte ihn an, als ich stehen blieb, sagte aber nichts.
»Kannst du nicht hallo sagen? Es ist doch nicht so, dass wir uns nicht kennen. Zum Teufel, wir haben uns geküsst.«
»Du meinst, du hast dich mir aufgezwungen«, beschuldigte ich ihn. Er lachte nur.
»Du warst doch diejenige, die zu mir gerannt kam. Mädchen, ich habe über dich nachgedacht und beschlossen, dir etwas von meiner Zeit zu widmen.« Er schaute Beni an. »Wie ich höre, triffst du Carlton Freitagabend.Wie wäre es denn mit einer doppelten Verabredung, hm?«, fragte er und wandte sich wieder mir zu.
»Entschuldigung, wir müssen nach Hause«, sagte ich.
Ich wollte um ihn herumgehen, aber er trat mir in den Weg und streckte die Arme aus.
»Also, das ist nicht höflich, und ich habe allen, die ich getroffen habe, erzählt, dass ich den höflichsten Regen in der ganzen Stadt kennen gelernt habe.« Er lachte.
»Bitte, lass uns vorbeigehen«, sagte ich.
»Erst wenn ich noch einen Kuss bekomme«, erklärte
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