Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
um nicht zu explodieren, und wartete.
»Du hilfst beim Frühstück und beim Abendessen
bedienen, und nach dem Abendessen hilfst du das Speisezimmer aufzuräumen. Samstags morgens musst du mit Mary Margaret Staub putzen und die Möbel polieren. Auch den Boden im Billardzimmer putzen. Sorge dafür, dass auf jedem Klo Papier ist, und halte die Toilette neben dem Billardzimmer makellos sauber. Mr Endfields Gäste benutzen sie. Mrs Chester wird dir zeigen, was sie in der Küche erledigt haben möchte. Wenn sie etwas vom Gemüsehändler braucht, wird sie dir oder Mary Margaret Bescheid sagen. Margaret kann dir beim ersten Mal den Weg zeigen.«
»Noch etwas?«, fragte ich trocken. Hatte Großtante Leonora ihm nicht gesagt, warum ich nach London gekommen war? Ich musste doch die Schule besuchen und lernen.
»Du musst wissen, wo du hingehörst«, verlangte er. »Jeder, der weiß, wo er hingehört, kommt gut zurecht. Wer aus der Reihe tanzt, wird dafür zur Verantwortung gezogen.«
»Machen Sie Witze?«, fragte ich ihn und merkte, dass ich wütend wurde.
»Mr Endfield ist stolz darauf, wie gut sein Haus geführt wird. Darüber werden hier keine Witze gemacht. Bring sie zu Mrs Chester«, befahl er Mary Margaret.
Sie nickte.
»Hier entlang bitte«, sagte sie.
Ich zögerte und starrte ihn an. Mama hätte gesagt, jemand wäre ihm auf die Finger getreten, als er noch
ein Baby war, und das hätte seine Persönlichkeit augenblicklich geformt.
Ich trabte hinter Mary Margaret her und spürte plötzlich den Jetlag, vor dem jeder zu Hause mich gewarnt hatte. Ich hatte eher das Gefühl, entlangzuschweben, im Schlaf zu wandeln. Warum gaben sie mir nicht wenigstens Gelegenheit, mich umzustellen, fragte ich mich.Wenn ich mich beklagte, würde sich das dann undankbar anhören?
Allmählich fragte ich mich, ob mir das überhaupt etwas ausmachte.
»Du bist also das Yankeemädchen, das hergekommen ist, um Schauspielerin zu lernen, was?«, sagte Mrs Chester, nachdem Mary Margaret mich in die Küche gebracht hatte. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
Sie war eine dralle kleine Lady mit Armen wie Nudelhölzer, breiten Hüften und einem üppigen Busen. Ihr Haar war blaugrau und zu einem festen Knoten zusammengesteckt. Ihre Wangen glühten rosig, aber ansonsten hatte ihre Gesichtshaut die Farbe von ausgeblichenem altem Papier. Unter den Schläfen hatte sie einige Altersflecken und an der rechten Halsseite befand sich ein kleines Grübchen.
Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und schaute mich an.
»Also, du bist ja ein hübscherVogel. So viel kann ich sagen, aber kannst du auch deinen Mann stehen?«
»Meinen was stehen?«
»Deine Aufgaben erledigen?«
»Oh, ja«, versicherte ich.
Sie nickte und schaute mich mit leicht verzogenen Mundwinkeln an. »Wir fangen um halb sieben an, das Frühstück vorzubereiten. Mr Endfield möchte gerne um sieben eine Tasse Tee gebracht bekommen. Wer soll das machen?«, fragte sie und schaute dabei von Mary Margaret zu mir.
»Ich mache das«, sagte Mary Margaret rasch, fast als hätte sie Angst, ich könnte mich freiwillig melden und ihr das Vergnügen rauben.
Mary Margaret war nicht dumm. Ich fragte mich, warum sie nicht mehr aus ihrem Leben machen wollte.War es nur Schüchternheit? Sie benahm sich, als stammte sie aus einer niedrigeren Kaste, der es nicht erlaubt war, Höhergestellte anzusprechen oder ihnen gar zu widersprechen.
Durch sie fühlte ich mich noch klassenbewusster als zu Hause gegenüber einigen dieser reichen Mädchen in Dogwood.
»Gut. Ich will nich, dass ihr beide eure Pflichten durcheinander schmeißt und es versaut, und ich hab dann den Chef am Hals, hört ihr?«, fragte sie energisch. Mary Margaret nickte mit weit aufgerissenen Augen.
»Wer ist der Chef?«, fragte ich.
»Wer ist der Chef?« Mrs Chester schaute Mary Margaret an. »Das ist Mr Boggs. Er ist verantwortlich für uns. Ich dachte, du wärst so schlau«, sagte sie. »Wenn du bei ihm nur einmal den Mund aufmachst,
weißt du, wer hier der Chef ist, nich wahr, Mary Margaret?«
»Ja, Ma’am.«
»Ja, Ma’am«, äffte Mrs Chester sie nach. Und wandte sich wieder mir zu. »Besser du kommst Mr Boggs nich in die Quere, wenn er sauer is. Jetzt zu dem, was du hier tun sollst«, sagte sie. »Als Erstes will ich nich, dass was von meinen Tellern oder meinen Gläsern oder Tassen zerbrochen wird, hörst du? Du trägst sie vorsichtig und passt beim Abwaschen besonders auf. Ich brauche keinen Dummkopf, der
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