Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
nach Hause kommen lassen.
Die Wahrheit war, dass ich trotz der Art, wie ich hier lebte, anfing, die Schule zu genießen. Ich mochte die Lehrer, selbst Professor Wilheim, der Lächeln und Komplimente so sparsam verteilte, als wären es Diamanten.
»Nein«, sagte ich.
»Hast du genug Geld?«
»Ja.«
»Und die Schule? Ist sie so gut, wie Conor MacWaine geprahlt hat?«
»Es macht mir Spaß, meine Kurse zu besuchen, und meine Lehrer sind alle sehr gut. Es gibt dort auch sehr viele talentierte Schüler.«
»Vergiss nicht, dass du einer davon bist«, ermahnte sie mich. Sie zögerte und fügte dann hinzu: »Dieser
Idiot von einem Arzt hat mich für ein paar Tage zurück ins Krankenhaus geschickt, sonst hätte ich früher angerufen«, sagte sie.
»Ins Krankenhaus? Warum?«
»Dieser komische Apparat funktioniert nicht so gut, wie sie erwartet hatten.Vielleicht müssen sie ihn sogar ersetzen. Ich habe vor, jemanden deswegen zu verklagen; ich habe mich nur noch nicht entschieden wen.Vielleicht alle«, meinte sie.
»Geht es Ihnen jetzt gut?«
»Ja, aber ich stehe, wie Dr. Lewis es formuliert, unter Beobachtung. Mach dir deswegen keine Sorgen. Deren Köpfe werden noch rollen«, sagte sie, und ich lachte.
Ich warf Großtante Leonora einen Blick zu, die mich mit leicht schief gelegtem Kopf staunend und verwirrt anstarrte.
»Deine Mutter rief an, um sich zu erkundigen, wie es dir geht. Ich sagte ihr, sie sollte dich anrufen, um es selbst herauszufinden, aber sie wies darauf hin, dass es Misstrauen erregen könnte, wenn sie dies täte. Irgendeine passende Entschuldigung fällt ihr immer ein«, murrte Großmutter Hudson. »Jake sendet dir schöne Grüße«, fügte sie hinzu.
»Oh, danke, und sagen Sie ihm, dass ich ihn vermisse.«
»Ich glaube, dieses Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit. Dein Name kommt in letzter Zeit so häufig über seine Lippen, dass ich das Gefühl hatte, kontrollieren zu müssen, ob es dich noch gibt.«
Ich lachte wieder, und wieder riss Großtante Leonora die Augen weit auf.
»Wie behandelt dich mein Schwager? Wie einen ungewaschenen Menschen aus der Gosse?«
»Nicht so schlecht«, sagte ich. »Ich werde Ihnen einen Brief schreiben«, versprach ich, »und Ihnen alle Einzelheiten über die Schule und meine Erfahrungen in London berichten.«
»Na gut«, sagte sie mit ihrer charakteristischen Ungeduld. »Gib sie mir wieder. Bestimmt spürst du ihren Atem schon im Nacken.«
»Vielen Dank für Ihren Anruf«, sagte ich und lächelte Großtante Leonora an. »Sie möchte mit Ihnen sprechen.«
»Ich habe mich schon gefragt, ob sie darum bitten würde«, sagte Großtante Leonora, als sie den Hörer entgegennahm. Sie wartete, bis ich das Zimmer verlassen hatte, bevor sie sprach.
Hinterher kehrte sie ins Speisezimmer zurück und setzte sich still hin. Mary Margaret und ich standen an der Tür und warteten auf sie. Sobald sie auftauchte, ging Mary Margaret schnell in die Küche, um ihr Essen wiederzuholen.
»Wie lange haben Sie bei meiner Schwester gewohnt?«, erkundigte Großtante Leonora sich und kniff die Augen zusammen.
»Etwas über sechs Monate«, erwiderte ich.
»Offensichtlich hat sie Sie sehr gern. Sie sollten sich schrecklich geehrt fühlen. Mir fallen nicht allzu viele Leute ein, die Frances gern hat. Sie war immer
eine strenge Richterin anderer und sehr nachtragend, was sie von unserem Vater geerbt hat.Auf jeden Fall«, sagte sie und wandte sich wieder ihrem Essen zu, »freue ich mich für Sie, meine Liebe.« Sie schenkte mir ein schwaches Lächeln. Einen Augenblick lang hatte ich das seltsame Gefühl, dass sie eifersüchtig war auf die Zuneigung, die Großmutter Hudson mir schenkte.
»Ich weiß sehr zu schätzen, was sie für mich getan hat.«
»Ja, bestimmt. Ich habe von ihr mehr über Sie gehört als über ihre eigenen Enkel«, fuhr sie fort. »Bestimmt haben Sie Megans Kinder kennen gelernt?«
»Ja«, bestätigte ich.
»Ich habe sie alle schon oft eingeladen«, berichtete sie traurig. »Megan und ihr Mann waren tatsächlich einmal in England, ohne vorbeizukommen. Sie behaupteten, dass sie auf einer Kurzreise durch Europa waren. Ich weiß nicht, warum sie nicht wenigstens auf eine Tasse Tee vorbeikommen konnten. Ich weiß, dass Victoria so beschäftigt ist, dass sie kaum ins Ausland reist.Wie steht es mit Ihrer Familie, meine Liebe?«
»Ich habe einen Bruder in der Armee. Er ist in Deutschland stationiert und kommt mich vielleicht einmal besuchen.«
»Das hoffe ich. Es ist
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