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Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht

Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht

Titel: Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Geschwister?«, fragte er.
    »Ich hatte eine jüngere Schwester, Beni. Sie wurde getötet, ermordet von Mitgliedern einer Straßengang.«
    »Wirklich?« Er klang schockiert.
    »So etwas würde ich nicht erfinden, glaub mir«, sagte ich. »Ich habe einen älteren Bruder bei der Armee. Er ist jetzt in Deutschland stationiert.«
    Randall starrte mich einen Augenblick an, als sei eine Maske von meinem Gesicht gefallen und er schaute jetzt mein wahres Ich an.
    »Wohnen deine Eltern noch dort?«, fragte er schließlich.
    »Mein Vater ist im Gefängnis und meine Mutter starb vor kurzem«, sagte ich. »Deprimierend genug?«, murmelte ich, stand auf und wollte gehen.
    »He!«, rief er und holte mich ein. »Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht in schlechte Stimmung versetzen.«
    »Das hast du nicht. Ich wurde schon in schlechter Stimmung geboren«, kommentierte ich.

    »Ich hätte das nie gemerkt, wenn ich mit dir geredet hätte. Nie, wirklich«, fuhr er fort, als ich stehen blieb und ihn skeptisch anschaute. »Als ich zum ersten Mal in der Schule mit dir redete, da fand ich nur, du wärst irgendwie anders«, fügte er hinzu.
    »Anders? Ja, Randall, ich bin anders«, bestätigte ich kalt lachend. »Das steht fest. Du hast nicht lange gebraucht, um das herauszufinden.«
    »Nein. Ich meinte das nicht schlimm. Du bist … ich weiß nicht … du bist nicht wie irgendein Mädchen, das ich jemals kennen gelernt habe.«
    »Das überrascht mich nicht.« Plötzlich ärgerte ich mich über seine heile Welt. Sein ganzes Leben wirkte wie ein sanftes Gleiten hügelabwärts. Außerdem war er mit einem wunderbaren Talent gesegnet.Wer entschied das alles? Gab es irgendwo einen Richter, der über dich nachdachte, kurz bevor du geboren wurdest, und der dich mit einer Handbewegung zu dieser Familie schickte oder zu jener, in diese Welt oder jene? Was konnten ich oder Beni oder Roy getan haben, um solch ein Schicksal zu erleiden im Gegensatz zu demjenigen, das Randall beschert worden war?
    »Du bist als Kind reicher Eltern geboren worden. Das hast du selbst gesagt«, teilte ich ihm mit. »Privatschulen, reiche Eltern, ein schönes Zuhause … Kunstgalerien und Theater. Deine Eltern haben dich mitgenommen auf teure Urlaubsreisen. Du warst schockiert, als du erfuhrst, dass ich noch nicht einmal in New York City war!«

    »Nein, ich habe nur …«
    »Weißt du, warum ich anders bin? Dir erscheine ich wie eine Außerirdische. Du wolltest mit mir reden, weil du fandest, ich sei anders? Ich bin anders, stimmt. Junge, und wie anders ich bin. Ja, ich bin schwarz und auch weiß und … verloren«, stöhnte ich und lief davon.
    Ich schaute mich nicht um. Tief im Innersten wusste ich, dass es nicht fair war, meine Frustration an ihm auszulassen und auf jedes Wort, das er sagte, so heftig zu reagieren, aber ich war nicht in der Stimmung, fair zu sein. Ich stemmte meine Füße so tief ins Gras, dass ich spürte, wie die Erde sich unter meinen Absätzen bewegte. Ich ging und ging, kam an allen möglichen Touristen vorbei, an Händchen haltenden Paaren, Familien, jungen Männern mit Rucksäcken, Menschen von überall her. Ein Strom fremder Sprachen rauschte an mir vorbei: Italienisch, Französisch, Japanisch, Russisch … ich könnte wirklich aus dem Weltall kommen, dachte ich und ließ mich schließlich atemlos auf eine Bank fallen.
    Da saß ich und starrte durch den Park auf die Straße voller Verkehr: Doppeldeckerbusse, Sightseeing-Busse, englische Taxis, ausländische Autos, überall Menschen, die darauf warteten, dass das grüne Männchen in der Ampel auftauchte. Es herrschte Karnevalsstimmung, als sei die ganze Welt auf Urlaub.
    »Wow, ich musste einen richtigen Sprint einlegen, um mit dir mitzuhalten«, sagte Randall, der hinter
mir auftauchte. »Darf ich mich neben dich setzen?«, fragte er.
    »Das ist eine öffentliche Bank«, erwiderte ich.
    Du hast heute so schlechte Laune, Rain, hörte ich eine Stimme in mir.
    »Es tut mir Leid, wenn ich dich beleidigt haben sollte«, fing Randall an. »Glaub mir, das war nicht meine Absicht.«
    »Ich habe es einfach satt, mich selbst als andersartig zu betrachten«, sagte ich und seufzte tief. »Eine Weile wäre ich gerne wie alle anderen, langweilig und durchschnittlich.«
    »Anders zu sein bedeutet nicht notwendigerweise etwas Schlechtes. Es kann gut sein. Viele Leute möchten gern anders sein«, sagte er leise, behutsam, wie jemand, der über dünnes Eis ging. »Meine Mutter spricht immer davon, anders zu sein.

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