Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
sprechen, unterbrach ich ihn sofort. Ich wollte kein einziges Wort verpassen.
»Das war wunderbar«, verkündete ich, als die Schauspieler sich zum letzten Mal verbeugten. Das ganze Publikum hatte sich erhoben. Meine Handflächen waren rot vom Klatschen. »Ich kann es gar nicht abwarten, das nächste Stück zu sehen!«
Randall lachte über meine Begeisterung. Da gestand ich es ihm.
»Vielleicht findest du mich seltsam, aber ich bin noch nie bei einem gewesen.«
»Noch nie im Theater?«
»Nur in Schulaufführungen«, sagte ich.
»Machst du Witze?«
»Nein, ich mache keine Witze, Randall. Du verstehst immer noch nicht, was ich dir erzählt habe, wo ich herkomme, wie mein Leben aussah. Wir hatten nicht genug Geld fürs Essen, ganz zu schweigen von Theateraufführungen. Und meine Schule in Washington organisierte auch keine Theaterbesuche. Vielleicht glaubten sie, nur eine Hand voll von uns würde hingehen, oder diejenigen, die hingingen, ruinierten die Aufführungen mit ihrem Benehmen. Vermutlich hatten sie Recht.«
»Das hatte ich alles vergessen«, gab er zu, als wir das Theater verließen.
»Das stimmt alles, und jetzt, wo ich gesehen habe, wie Profis spielen, weiß ich wirklich nicht, was ich hier soll, warum ich so tue, als würde ich Schauspielerin. Ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, da oben zu stehen und zu tun, was sie tun.«
»Oh, bestimmt kannst du das, Rain. Bestimmt wirst du das«, entgegnete er.
Ich warf ihm einen Seitenblick zu und lächelte blöd.
»Ich glaube nicht mehr an die gute Fee, Randall. Einige Gangmitglieder in meiner alten Gegend haben sie überfallen«, teilte ich ihm mit.
»Was?«
»Ach nichts. Sagen wir einfach, ich mache keine Pläne, damit ich nicht enttäuscht werde, und dabei belassen wir es.«
Er nickte. »Du möchtest doch gerne etwas essen, stimmt’s? Wir haben noch gar nicht zu Abend gegessen.«
»Ich bin noch zu aufgeregt, um etwas zu essen, aber wenn du hungrig bist, esse ich auch ein bisschen«, sagte ich.
Er fand ein kleines Lokal in der Nähe namens Captain’s Private Table , wo er uns Fish and Chips bestellte. Als er um zwei Pints Lager’n Lime bat, wechselten wir schnelle Blicke und waren gespannt, ob wir ohne Ausweiskontrolle bedient wurden. Die Kellnerin war völlig überlastet durch den Lärm und die Menge; sie schrieb die Bestellung einfach auf und brachte uns das Gewünschte ohne Fragen oder Kommentare.
»Na«, das war ja ein erfolgreicher Auftritt«, sagte Randall. »Zusammen haben wir’s geschafft. Sonst wäre es wieder peinlich für mich geworden. Das liegt nur daran, dass du diesen wirklich weltklugen Blick hast.«
»Sich bei einer abgelenkten Kellnerin duchzuschmuggeln ist ein bisschen anders, als vor Tausenden von Leuten auf einer Bühne zu stehen, Randall Glenn.«
Ich trank mein Bier und schaute mich um. Das Restaurant sah aus, als sei es das Lieblingslokal hier in der Gegend, niemand außer uns schien von auswärts zu stammen. Das Gespräch der beiden jungen Männer am Nebentisch war meiner Meinung nach völlig dummes Geschwätz.
»Ich nehmen Kate und Sydney«, sagte der größere der beiden zu Kellnerin.
»Ich? Ich nehme Lillian Gish mit einem Pint Salmon and Trout. Hast du’ne Zigarette?«, fragte er seinen Freund, der schnell eine Zigarette hervorzog und dann aufstand.
»Wo willst du hin?«
»Telefonieren. Mal sehen, ob meine Frau zu Hause ist.«
»Du meinst deinen Ärger und Radau«, sagte sein Freund und beide lachten.
Ich beugte mich zu Randall hinüber, der mit einem Lächeln zugehört hatte.
»Worüber reden die eigentlich?«
»Die sprechen Mockney. Es ist heutzutage modern, merkwürdige Formulierungen zu benutzen, die sich wie Cockney anhören. Sie machen sich einen Spaß aus dem sich reimenden Cockney-Slang. Der eine Typ bestellte Steak-and-Kidney-Pie, Kate and Sydney, und der andere Fisch, Lillian Gish, mit einem Pint Stout, Salmon and Trout.Verstehst du?«
»Nein. Ärger und Radau? Was meinte er damit?«
»Er wollte seine Frau anrufen, deshalb sagte der andere Typ, ach dein Ärger und Radau.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte ich verblüfft und beeindruckt.
»Das habe ich dir doch schon gesagt, ich lese viel. Ich habe ein Buch darüber in meinem Zimmer. Ich leihe es dir, wenn du willst. Es ist wie ein Wörterbuch des Cockney-Slangs.«
»Ich habe schon genug Schwierigkeiten mit der normalen englischen Sprache hier«, sagte ich. »Das erspare ich mir.«
Er trank sein Bier und wir redeten
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