Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
Fernsehmelodram.
»Wir haben von solchen Sachen in Amerika gehört, aber du bist die Erste, die wir kennen lernen, die an so einem Ort gelebt hat«, sagte Catherine.
Dann, als sei diese Unerfreulichkeit nicht mehr als
eine Seifenblase, die platzen soll, klatschten beide in die Hände und erklärten, wir sollten nie wieder über etwas Trauriges reden.
»Du wirst eine große Schauspielerin und kehrst sowieso nie wieder in so eine Welt zurück«, erklärte Leslie.
Selbst Randall musste lachen.
»Deshalb sind wir alle hier, um Stars zu werden«, sagte er.
Ich genoss unser kleines Picknick und auch den Wein. Ich war überrascht, wie viel Catherine und Leslie über guten Wein wussten, wie wichtig es war, in welcher Gegend Frankreichs der Wein angebaut worden war, und wie das alles eine wichtige Auswirkung auf den Geschmack hatte. Sie brachten mir bei, wie man Wein probiert, wie man ihn einen Moment im Mund behält und dann Luft einsaugt, um das Prickeln zu spüren.Wie lachten sie über meine Verwirrung und Überraschung.
Wir verbrachten wirklich einen lustigen Tag, aber Randall wollte früh zurückfahren, damit er und ich Zeit hatten, uns auf das Theater vorzubereiten. Die Schwestern wollten wissen, wo ich die Karten herhatte, und ich erzählte ihnen von meinem Großonkel, den ich als Mr Endfield bezeichnete. Sie wechselten ein subtiles Lächeln.
»Was ist?«, fragte ich, während Randall unsere Tüten und das Papier vom Lunch wegwarf.
»Ein älterer Mann, chérie?«
»Was? Du glaubst doch nicht …«
»Warum nicht. Leslie hatte vergangenes Jahr fast eine Affäre mit einem verheirateten Mann«, sagte Catherine, als sei das etwas, mit dem man prahlen konnte.
»Wirklich?«
»Er war gerade erst verheiratet, aber trotzdem wollte er mich verzweifelt gerne als seine Geliebte haben. Er schwor, dass er sich sogar umbringen würde, wenn ich mich weigerte.«
»Was hast du getan?«
»Mich geweigert. Stell dir vor, dass ein Mann sich deinetwegen umbringt, was, chérie?«
»Das würde dir gefallen?« Ich schaute sie beide an und lächelte. »Ihr macht euch über mich lustig, erzählt mir Ammenmärchen, um zu sehen, ob ich das glaube.«
»Nein«, widersprach Catherine. »Das stimmt.«
Sie wechselten wieder wissende Blicke.
»Was ist los?«, wollte ich wissen.
»Unser Papa hat eine Geliebte«, enthüllte Leslie.
»Wirklich? Und ihr wisst davon?«
» Mais, oui . Aber natürlich«, sagte Catherine.
»Was ist mit eurer Mutter? Weiß sie es auch?«
»Oui.«
»Ich mag sie«, sagte Leslie.
»Wen? Die Geliebte eures Vaters?«
Sie nickte.
»Aber er hat eine außereheliche Affäre, nicht? Wie kannst du sie da mögen?«
Sie zuckte die Achseln.
»Sie ist nett. Sie kauft uns hübsche Sachen. Diese Ohrringe sind von ihr«, sagte Leslie und deutete auf die winzigen Perlenohrringe, die sie trug.
»Du hast ein Geschenk von der Frau angenommen, die mit deinem Vater Ehebruch begeht?«
»Gefallen sie dir nicht?«
Mir stand wohl der Mund offen, als Randall zurückkam, so schockiert war ich. Er warf mir einen Seitenblick zu und fragte mich, ob mit mir alles in Ordnung war.
»Ja«, sagte ich. »Ich glaube schon.«
Auf dem Weg zurück zum Wohnheim redeten die Schwestern über ihre Liebesaffären. Sie waren stolz darauf, femmes fatales zu sein, Frauen, die ihren Liebhabern mit Absicht Kummer bereiteten. Sie nannten es die Qual der Begierde oder irgend so einen Ausdruck, den Leslie in einem Liebesroman gelesen hatte. Ich hatte Angst, sie zu fragen, wie oft und mit wie vielen verschiedenen Männern sie geschlafen hatten, aber ich hegte keinerlei Zweifel, dass sie mir ehrlich antworten würden, selbst in Gegenwart von Randall.
Dennoch musste ich zugeben, dass sie etwas an sich hatten, das mich davon abhielt, sie nur als Mädchen mit lockerer Moral zu betrachten wie einige der Mädchen, mit denen Beni trotz meiner und Roys Warnungen befreundet gewesen war. Catherine und Leslie hatten immer noch ein positives Selbstbild. Ich konnte meine Gefühle nicht erklären; obwohl ich nicht billigte, was sie mir von sich erzählten, missbilligte ich sie dennoch nicht. Als ob das
Leben, das sie führten, ein gutes Leben für sie war und man es dabei belassen sollte. Ich kam immer wieder auf das zurück, was sie joie de vivre nannten, und fragte mich, ob das nicht etwas war, das ich lernen, etwas, das ich akzeptieren und imitieren sollte.
Gott weiß, ich wollte die Fesseln der Niedergeschlagenheit und Traurigkeit abwerfen, die im
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