Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
konnte. Das tat er natürlich, aber ich wollte mir das nicht anmerken lassen.
Schließlich ging er. Wir servierten das Frühstück zu Ende und genossen unser eigenes.
»Wer hält das Cottage sauber?«, platzte ich am Küchentisch heraus.
Mrs Chester schaute erst Mary Margaret und dann mich an.
»Du meinst das Cottage hinten?«
»Ja. Mr Boggs hatte deutlich gemacht, dass es für mich verboten ist, aber jemand muss sich doch darum kümmern«, sagte ich. »Machst du das, Mary Margaret?«
Sie schüttelte den Kopf, hielt aber den Blick wie üblich gesenkt. Ich beobachtete, wie sie an ihrem Toast mit Marmelade knabberte wie eine Maus und an ihrem Tee nippte. Ihre Hand schien zu zittern.
»Da wohnt jemand, glaube ich«, sagte ich.
»Du bist ja bescheuert«, erklärte Mrs Chester. »Da wohnt niemand.«
»Sind Sie je dort drinnen gewesen?«, fragte ich sie.
»Nein.«
»Woher wissen Sie dann, dass dort niemand wohnt?«, hakte ich nach.
Plötzlich erhob Mary Margaret sich, stellte ihr Geschirr in die Spüle und verließ die Küche.
»Mrs Chester?«
»Was is los?«, fauchte sie.
»Woher wissen Sie, dass dort niemand wohnt?«
»Ich weiß es nich, aber ich hab dort noch nie jemanden
gesehen, und es is mir auch egal. Ich bin noch nie gebeten worden, für eine weitere Person zu kochen, nich?«
Sie stand auf, hielt dann aber inne und schaute zu mir herunter.
»Diejenigen, die sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, kommen hier am besten zurecht«, riet sie mir. »Also, kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten.«
Hinterher, als ich in mein Zimmer zurückging, warf ich einen Blick aus dem Arbeitszimmer und sah Mr Boggs mit Mary Margaret reden. Es sah aus, als schimpfte er mit ihr. Sie schüttelte ständig den Kopf und ging dann rasch weg. Er schaute ihr hinterher. Plötzlich, als könnte er meine Blicke spüren, drehte er sich um und sah zu meinem Fenster hoch. Einen Augenblick stand ich wie am Boden festgewachsen. Ich holte tief Luft und ging schnell weiter.
Während des restlichen Morgens blieb ich in meinem Zimmer, las etwas und lernte meine Rolle für die Schulaufführung. Kurz vor Mittag kam ein Mann, auf dessen Hemd vorne und hinten Lock Doctor geschrieben stand. Er klopfte an meine Tür und teilte mir mit, dass er gebeten worden sei, ein Schloss einzubauen.
»Normalerweise komme ich sonntags nicht«, stellte er fest, »aber jemand wünscht das dringend genug, um den anderthalbfachen Preis zu zahlen. Habe’n Extrapfund oder zwei noch nie verachtet«, meinte er lächelnd.
Statt ihm bei der Arbeit über die Schulter zu schauen, ging ich mit meinen Büchern ins Wohnzimmer. Eine knappe halbe Stunde später hörte ich ihn das Haus verlassen. Ich kehrte in mein Zimmer zurück und sah, dass das Schloss installiert worden war, aber wo waren die Schlüssel? Als könnte er meine Gedanken lesen, tauchte Boggs auf und hielt ein Paar Schlüssel auf der ausgestreckten Hand.
»Die hat er dagelassen«, bemerkte er.
Ich nahm sie rasch.
»Sind das die einzigen?«, fragte ich.
Er starrte mich an und schenkte mir dann ein Lächeln, das so frostig war, dass es mir eiskalt den Rücken herunterlief.
»Niemand will in das Zimmer rein.« Sein Lächeln wurde breiter. »Kennst du die Geschichte denn nicht? Jemand will raus«, witzelte er voller Schadenfreude und marschierte davon.
Wenn er hoffte, mich zu ängstigen, machte er seine Sache sehr gut. Warum lassen meine Großtante und mein Großonkel bloß von so einem Menschen ihren Haushalt führen? Ich probierte das Schloss aus und stellte zufrieden fest, dass es funktionierte. Zumindest hatte ich ein gewisses Gefühl von Ungestörtheit, aber ich rätselte über Boggs’ Kommentar.
War in diesem Zimmer wirklich eine Frau gestorben? War sie wirklich vergiftet worden? Und war ihr Geist zurückgeblieben, vielleicht dazu verdammt, eingesperrt zu sein hiner diesen Mauern, auf Rettung zu warten? Manchmal hatte ich das Gefühl, als
wäre ein Geist anwesend.Vielleicht glaubte er, ich sei gekommen, um ihn zu befreien.
Später, nachdem ich mich in der Küche gerade zum Mittagessen hingesetzt hatte, tauchte Leo in der Tür auf.
»Ein junger Herr wartet draußen auf Sie, Miss«, sagte er.
»Danke, Leo«, erwiderte ich und eilte hinaus. Dort fand ich Randall vor, der aufgeregt vor dem Haus auf und ab tigerte. Sobald ich auftauchte, lief er auf mich zu.
»Ich glaube, ich habe ihn gefunden«, sagte er. »Ich bin mir ziemlich sicher.«
Ich spürte, wie mir das Blut aus dem
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