Die Hudson Saga 02 - In dunkler Nacht
trug einen dunkelblauen Rock, eine weiße Bluse und hatte kurzes, lockiges Haar. Das Mädchen war nicht viel älter als zwölf oder dreizehn, hörte aber aufmerksam zu, das hübsche Gesicht voller Interesse für das, was Randall sagte. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er immer weiterreden konnte.
Schließlich dankte er ihnen, drehte sich um und ging auf mich zu. Die Frau und das Mädchen schauten in unsere Richtung und schlossen dann langsam die Tür. Randall wartete, bis er die Straße überquert hatte, bevor er sprach. Auf dem Gesicht hatte er das breite zufriedene Grinsen einer Katze, die den Kanarienvogel gefressen hatte. Er warf einen Blick zurück und kam dann schnell an meine Seite.
»Er kommt jeden Augenblick heraus«, flüsterte er, als könnte die Frau ihn immer noch hören.
»Woher weißt du das?«
»Ich hörte ihn, wie er zu jemandem namens William sagte, er sollte seine Jacke anziehen. Es sei Zeit zu gehen.«
»Was hat die Frau dir gesagt? Was hast du ihr gesagt? Wer war das kleine Mädchen?«, bombardierte ich ihn mit Fragen.
Er lachte.
»Ich tat so, als sei ich ein sehr verwirrter Tourist, der hier nach Verwandten suchte. Sie sagte mir, ich sei hier im falschen Häuserblock. Sie war sehr nett. Das kleine Mädchen muss ihre Tochter sein. Bestimmt haben wir den richtigen Larry Ward gefunden«, meinte er abschließend.
Ich sah, wie sich die Tür öffnete, wandte mich rasch ab und packte Randall am Arm, um ihn mit wegzuziehen.
»Jemand kommt heraus«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Er schaute sich um, während ich weiterging und panische Angst hatte, seinem Blick zu folgen. Ich war wie Lots Frau in der Bibel, die Angst hatte, zu einer Salzsäule zu erstarren, wenn sie sich umdrehte. Mit gesenktem Kopf ging ich immer weiter.
»Er ist schwarz«, verkündete Randall. »Ich wusste es. Er kommt mit einem kleinen Jungen hier entlang.«
Ich war erleichtert, als wir die Ecke erreichten, und wollte schnell die Straße überqueren.
»Einen Augenblick«, rief Randall und packte mich am Arm.»Willst du ihn denn nicht einmal anschauen?«
»Ich fühle mich wie benommen«, sagte ich. »Ich will nicht, dass er mich sieht, falls er es ist.«
»Wir werden hier warten«, sagte er und zog mich zu einem Zeitschriftenladen.
Ich folgte ihm hinein, und Randall suchte eine Zeitung aus. Er ging sie bezahlen, während ich dort stand und zum Fenster hinausstarrte.Wenige Augenblicke später kam der Mann, der mein leiblicher Vater sein könnte, in Sicht. Er trug ein Tweedjackett und Jeans, war mindestens einen Meter achtzig groß und sah mit seinem starken Mund sehr gut aus. Er wirkte gepflegt und hatte breite Schultern. Als er einen Blick zu dem Laden warf, sah ich direkt in sein Gesicht, aber er schaute mich nicht an. Trotzdem hielt ich die Luft an, als er rasch eine Zeitungsschlagzeile las und dann weiterging.
Der kleine Junge an seiner Seite klammerte sich fest an seine Hand. Ich fand das Kind niedlich, besonders wegen der stolzen Art, mit der es seine Schultern zurücknahm und den Kopf gerade hielt. Hin und wieder schaute es zu seinem Vater hoch, als wollte es sichergehen, dass es ihn gut imitierte. Sie überquerten die Straße und gingen weiter in Richtung Fluss.
Dieser kleine Junge könnte gut mein Halbbruder sein. Und das junge Mädchen hinten in dem Haus meine Halbschwester. Ich war den ganzen weiten Weg hierher gekommen, um sie zu sehen und den Mann, der möglicherweise mein Vater war. Wie merkwürdig ich mich fühlte. Als wäre ich in einem
Traum gefangen und triebe auf einem Meer von Wünschen und Versprechungen dahin.
»Und?«, fragte Randall, als er neben mich trat, »was meinst du? Ich finde, es gibt einige ganz klare Ähnlichkeiten«, meinte er, bevor ich antworten konnte.
»Ach, nach einem kurzen Blick kann man das doch gar nicht sagen, Randall«, widersprach ich.
»Mal sehen, wo sie hingehen«, schlug er vor. »Vielleicht können wir ihn noch besser sehen.«
»Ich will nicht, Randall.«
»Wir bleiben weit genug hinter ihm …«
»Nein«, widersprach ich nachdrücklicher. »Ich will nicht. Ich habe kein gutes Gefühl dabei. Er macht einen Spaziergang mit seinem kleinen Jungen. Es ist einfach nicht richtig, ihm nachzuspionieren.«
»Nicht richtig? Warum ist es nicht richtig, wenn man bedenkt, wer du bist und wer er sein könnte?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich und verließ das Geschäft. Schnell lief ich in die entgegengesetzte Richtung.
»Einen Augenblick. Wo gehst du
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