Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
sagte Victoria, als sie mit mir näher kam.
Er zog die Augenbrauen hoch und durchforschte mein Gesicht nach einem Beweis für meine Aufrichtigkeit.
»Ich bedauere deinen Verlust sehr«, sagte ich. »Es tut mir Leid, dass ich Brody nicht besser kennen gelernt habe.«
Er nickte, sein Blick wurde weich, dann schloss er die Augen und lehnte sich zurück.
»Brauchst du irgendetwas, Grant?«, fragte Tante Victoria ihn.
Er schüttelte nur den Kopf.
Sie und ich drehten uns um und verließen das Zimmer. Auf dem Weg murmelte sie: »Ihm fehlt nichts außer einer Frau, die ihm zur Seite steht, wenn er sie am nötigsten braucht.«
Ich konnte nicht gehen, ohne meine Mutter gesehen zu haben, auch wenn Tante Victoria mir sagte, sie stünde völlig unter Beruhigungsmitteln. Das sagte ich Tante Victoria.
»Sie wird nicht einmal merken, dass du da bist«, sagte sie. »Warum willst du deine Zeit damit verschwenden?«
»Das ist alles andere als Zeitverschwendung«, fauchte ich sie an und steuerte auf die Treppe zu. Tante Victoria schaute mich einen Augenblick an und wandte sich dann wieder ihren selbst zugewiesenen Pflichten als Ersatzehefrau zu.
Ich wusste nicht, wo ich oben hingehen musste, aber ich brauchte nicht lange zu überlegen, denn die Krankenschwester meiner Mutter kam gerade aus dem Schlafzimmer. Sie blieb stehen, um mich zu begrüßen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.
»Ich möchte gerne Mrs Randolph sehen«, sagte ich.
»Sie kann jetzt niemanden empfangen«, teilte sie mir mit. »Tut mir Leid. Bestimmt verstehen Sie das.« Sie schenkte mir ein Plastiklächeln.
Ich erwiderte ihr Lächeln, drehte mich um und tat so, als folgte ich ihr nach unten. Als sie ins Wohnzimmer ging, blieb ich stehen und ging zurück nach oben. Langsam öffnete ich die Tür zum Schlafzimmer meiner Mutter und spähte hinein.
Es war ein sehr großes Zimmer mit einem Sitzbereich, in dem ein kleines Sofa und ein Liegestuhl gegenüber einem Fernseher standen. Die großen Fenster schmückten hellblaue Samtvorhänge und gazeartige weiße Gardinen. Der Boden war mit einem pflaumenweichen dunkelblauen Teppich ausgelegt.
Zuerst sah ich meine Mutter gar nicht. Ihr Bett war auf Maß angefertigt und größer als ein normales Doppelbett. Es hatte hohe, runde Pfosten, ein Fußteil mit einer geschnitzten Rose und ein Kopfteil mit zwei weiteren Rosen, die sich überkreuzten, um Liebende zu symbolisieren. Fast verloren in den überdimensionalen Kissen lag meine Mutter,
ihr dunkles Haar hing ihr lose um das schneeweiße Gesicht. Die Decke war bis zum Kinn hochgezogen. Der Kopf war leicht von mir abgewandt.
Ich schloss die Tür leise hinter mir und ging zu ihr. Die Augen standen weit offen, aber trotzdem sah sie aus, als schliefe sie.
»Mutter«, sagte ich leise. »Mutter.«
Langsam wandte sie sich zu mir um und starrte mich mit ausdruckslosen Augen an.
»Ich möchte, dass du weißt, dass es mir wirklich sehr Leid tut und ich sehr traurig über Brodys Tod bin.«
Ich dachte, sie würde nicht antworten, und war mir nicht einmal sicher, ob sie mich überhaupt gehört hatte, aber plötzlich schüttelte sie den Kopf und lächelte fast.
»Unsere Sünden«, flüsterte sie, »kommen auf uns zurück. Du kannst versuchen, sie zu begraben, aber sie sind da draußen und warten nur auf eine Gelegenheit. Denk daran. Denk daran.«
Ich schüttelte den Kopf, um zu widersprechen. Sie riss die Augen noch weiter auf.
»Du bist die Gelegenheit«, erklärte sie. »Du bist zurückgekommen. Es steckt in dir. Die Finsternis, das Böse«, flüsterte sie. »Es steckt in dir.«
Tränen brannten mir unter den Augenlidern. Ich schluckte und schüttelte den Kopf.
»Ja, ja, du kamst aus der Nacht. Es ist natürlich meine Schuld. Es fing alles mit Larry und meinem Vater an. Ich hörte dich schreien, als du geboren
wurdest. Glaubst du, ich hätte diesen Schrei nicht immer wieder gehört?
Ich weiß nicht, wo das enden wird«, sagte sie. »Ich kann nur warten. Was wusste der Geistliche? Wenn er die Vergangenheit gekannt hätte, hätte er mir mit dem Finger gedroht und auf den Sarg gedeutet. Ich sollte in dem Sarg liegen, nicht Brody.
Das Baby hat geschrien«, sagte sie. »Als sie mir das Baby wegnahmen, weinte es. Ich wusste, es war falsch, aber mein Daddy wollte nicht hören.«
»Mutter, das ergibt doch alles keinen Sinn. Hör mir zu …«
»Ich kann nur noch warten«, murmelte sie und wandte den Kopf ab. »Warten.«
»Mutter, du musst dich erholen«, sagte ich zu
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