Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
jeden Teil von mir. Ich fühlte mich wie ein Fleischklumpen, aber ich beklagte mich nicht und sprach auch nicht viel. Wenn man mich fragte, ob ich etwas spürte, und ich spürte es, sagte ich es ihnen; wenn das nicht der Fall war, sagte ich es ihnen auch. Das war alles. Ich führte keine Gespräche mit den Krankenschwestern oder Ärzten. Sie versuchten mich zum Reden zu bringen, aber ich starrte sie nur an.
Meine Gehirnerschütterung besserte sich, und ich war bald imstande, leichter den Kopf zu heben. Ich konnte selbstständig essen, hatte allerdings nicht viel Appetit. Sie schalteten mir immer den Fernseher an, aber weder hörte ich richtig zu, noch schaute ich genau hin. Es war wie eine große Glühbirne mit Schatten.
Jake besuchte mich jeden Tag und wohnte deshalb bei einem Freund in Richmond. Er brachte mir Süßigkeiten und Zeitschriften mit. Das plötzliche Altern in seinem Gesicht direkt nach meinem
Unfall hatte sich dort festgesetzt. Ich hatte sogar den Eindruck, als würde sein Haar schneller grau. Seine Schultern waren immer etwas gebeugt, und er hatte Schwierigkeiten, mir in die Augen zu sehen. Als erwartete er, ich würde ihn anklagend anschauen.
Das Einzige, was meine Neugierde erweckte, war, was meine Familie tat und wie sie auf diese überraschenden Ereignisse reagierte.
»Victoria ist natürlich frustriert und verwirrt. All ihre Pläne liegen jetzt auf Eis, vielleicht für immer«, teilte Jake mir mit.
»Das kümmert mich nicht«, sagte ich.
»Tja, vielleicht sollten Sie sich darum kümmern, bis es Ihnen besser geht. Sie brauchen jeden finanziellen Rückhalt und können auf keinen Pfennig verzichten, verstehen Sie das? Ich habe mir die Freiheit genommen, mit Mr Sanger zu sprechen, und er hat die Sache in die Hand genommen.«
»Bis es mir besser geht? Mir wird es nicht besser gehen, Jake. Haben Sie du denn nicht mit den Ärzten gesprochen?«
»Sie haben sicher noch eine Menge Arbeit vor sich, aber durch die Therapie werden Sie immer kräftiger und …«
»Und ich werde immer im Rollstuhl sitzen«, fiel ich ihm ins Wort.
Ich wusste, warum er so tun musste, als würde es besser werden, aber ich konnte das nicht.
»Geben Sie Rain nicht die Schuld daran«, bat ich
ihn. Er schaute mich an. Ich sah, dass etwas sich geändert hatte. »Was haben Sie getan, Jake? Sie haben ihr doch nicht wehgetan, oder?«
»Natürlich nicht, aber ich habe beschlossen, sie zu verkaufen«, sagte er. »Was soll ich mit so einem Pferd?«
Ich wandte den Blick ab. Vielleicht war mein Name ein Fluch. Dem wunderschönen Pferd meinen Namen zu geben hatte es auch dem Untergang geweiht. Nun würde es schuldlos leiden, leiden nur weil es geboren worden war. Kein Wunder, dass wir so gut miteinander zurechtgekommen waren.
»Das sollten Sie nicht, Jake.«
Er schaute weiter zu Boden und hob dann den Blick. Seine Augen waren blutunterlaufen, winzige Äderchen bildeten ein leuchtendes Netzmuster.
»Ich habe einen Anruf von Grant erhalten«, sagte er.
»Oh?«
»Er fragte nach Ihnen. Sie haben Megan nichts erzählt.«
»Es wird ihr nichts ausmachen. Sagen Sie ihnen, sie sollen sich nicht darum kümmern. Sagen Sie ihnen … mir machte es mittlerweile auch nichts mehr aus«, sagte ich.
Jake schaute mich an und blickte dann aus dem Fenster.
»Sie müssen nicht länger herkommen, Jake. Ich weiß, dass Sie lieber nach Hause fahren würden.«
»Ach, sagen Sie nicht so etwas«, sagte er. »Ich lasse Sie hier nicht allein.«
»Daran muss ich mich gewöhnen, Jake. Wer will denn jetzt noch mit mir zusammen sein?«
»Reden Sie nicht so«, befahl er. »Frances würde sehr …«
»Bedauern, mich je aufgenommen zu haben«, beendete ich den Satz für ihn. »Wenn ich jemals eine Last war, bin ich es jetzt noch viel mehr.«
Jake trat näher ans Bett und ergriff meine Hand. Er drückte sie fest.
»Ihnen wird es besser gehen, Prinzessin. Ich werde nicht zulassen, dass Sie immer schwächer werden. Besser Sie gewöhnen sich daran, mich am Hals zu haben«, drohte er.
Ich starrte zu ihm hoch. Seine Augen leuchteten, wurden dann aber trüb. Er tat mir Leid.
»Okay, Jake«, sagte ich. »Tun Sie, was Sie wollen.«
»Genau«, sagte er. »Morgen komme ich mit weiteren Informationen wieder. Sie müssen sich nur entschließen, sich nicht unterkriegen zu lassen«, sagte er.
Er lächelte.
»Ich meine, wie können Sie Victoria nur enttäuschen? Wenn es Ihnen nicht besser geht, kann sie Ihnen Ihr Vermögen nicht streitig machen, stimmt’s? Wie
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