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Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Titel: Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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angrinsten.
    Er, oder ich sollte wohl besser sagen es, sprach nicht. Musste es auch nicht. Seine Augen sagten alles. Sie sagten, du weißt doch, dass alles, was er sagt, eine Lüge ist, und du weißt, dass sein Sohn kein Held ist, kein junger Mann, der im Ausland Karriere macht. Du weißt, es ist kalt und dunkel draußen und die Leute machen sich gar nichts aus dir, haben nicht das geringste Interesse daran, ob du lebst oder nicht. Dann lachte es.
    Ich schrie natürlich auf. Es war das erste Mal, deshalb hatte ich große Angst.
    Ed wachte auf, blinzelte und setzte sich auf.
    »Warum zum Teufel schreist du so?«, fragte er.
    Das Wirkli schaute ihn an, zerplatzte wie eine Seifenblase und war verschwunden. Später tauchte es im Flur vor unserem Schlafzimmer wieder auf und grinste mich immer noch höhnisch an.
    Ich erzählte es Ed. Er starrte mich an, schüttelte den Kopf und legte sich wieder auf das Sofa. Binnen Minuten war er eingeschlafen.
    Manchmal waren zwei oder drei Wirklis gleichzeitig da.
Normalerweise kamen sie herein, wenn die Tür geöffnet wurde, deshalb hörte ich auf, sie zu öffnen, und hielt auch die Fenster fest geschlossen. Aber wenn Ed nach Hause kam, konnte ich nichts dagegen machen.Wenn er die Tür offen ließ, während er Pakete hereintrug, schrie ich und lief hin, um sie zu schließen, aber ich kam immer zu spät.
    Immer mehr von ihnen strömten herein, jedes von ihnen erzählte mir eine andere hässliche Wahrheit oder erinnerte mich an etwas, etwa daran, dass mein Vater meine Mutter schlug oder dass Tante Elsie an einem geplatzten Blinddarm starb, obwohl man das leicht hätte behandeln können. Ihre Mutter misstraute Ärzten und Krankenschwestern und holte keine Hilfe. Sie legte ihr eine Wärmflasche auf den Bauch. Sie war erst neunundzwanzig. Ich konnte nicht glauben , dass sie in diesem Sarg lag und in die Erde gesenkt wurde. Damals war ich erst neun.
    Wer musste schon daran erinnert werden, besonders von etwas so Hässlichem wie einem Wirkli?
    Es kam so weit, dass mein Wohnzimmer voller Wirklis war, und wenn ich vorbeiging, hörte ich sie miteinander schwatzen. Oft lachten sie, aber es war eher ein Gackern als ein Lachen. Wenn ich durch die Tür spähte, sah ich, dass einige meiner frühesten Alpträume aus meiner Kindheit bei ihnen da drinnen waren und nur darauf warteten, über den Fernsehschirm zu laufen wie eine Wiederholung eines alten Films.
    Mit gesenktem Kopf lief ich durch das Haus. Immer wenn ich in mein Schlafzimmer hochging , folgten sie mir. Sie folgten mir sogar ins Badezimmer. Nach Fletchers Tod wurde es schlimmer. Immer mehr von ihnen betraten das Haus, jedes mit einer Geschichte über ihn, über die anderen schlimmen Dinge, die er getan
hatte. Sie liebten es , seinen Tod in allen grässlichen Einzelheiten zu schildern: dass der Wagen in Flammen aufging, bevor er auf dem Wasser aufprallte, und dass er nach mir schrie.
    Schließlich ging ich eines Tages in den Keller hinunter, um ihnen zu entkommen, und entdeckte, dass sie mir nicht folgen konnten. Sie kamen nicht hinunter. Sie konnten einfach nicht nach unten gehen. Hier war ich sicher.
    Damals hatten wir nur einen Vorratsraum. Ich stellte mir einen Stuhl hierher und verbrachte den ganzen Tag an diesem dunklen, dunklen Ort. Ed entdeckte das, und als ich ihm erzählte warum, seufzte er, schüttelte den Kopf und fing eines Tages an, das alles für mich zu bauen. Er trug mir Sachen herunter, und manchmal blieb er auch bei mir.
    Allmählich tat er das immer weniger. Es gab Zeiten, da ging er so früh, dass ich nur in einem Karton an der Tür etwas zu essen fand. Es gab Zeiten, da blieb er tagelang weg. Anhand meiner Kuckucksuhr merkte ich, wie die Zeit verging. Aber es war mir egal, welcher Tag es war. Das Einzige, was mich vage interessierte, war, wie lange Ed wegblieb.
    Eines Tages gestand er etwas.
    »Niemand erkundigt sich mehr nach dir«, sagte er. Da wusste ich, dass die Wirklis noch oben waren und ihn dazu brachten, mit der Heuchelei aufzuhören.
    »Ich sollte dich zu einem Arzt bringen«, meinte er bei mehr als einer Gelegenheit, aber er tat es nicht. Die Wirklis brachten ihn dazu, das zu sagen, aber weiter ging es nicht. Ich wäre sowieso nicht gegangen, und das wusste er.
    Hier unten passierte mir vieles, und ich hätte hinaufgehen und einen Arzt oder einen Zahnarzt aufsuchen sollen. Eines
Tages hatte ich schreckliche Zahnschmerzen. Sie hörten nicht auf, ganz gleich, was ich tat, deshalb bat ich Ed, mir den Zahn zu

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