Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes
Summer kann mich schieben. Es macht viel mehr Umstände, in den Transporter hineinzukommen und wieder heraus«, entschied sie. Ich rollte Mommy hinaus. Daddy sagte, er würde nachkommen, nachdem er einige geschäftliche Telefonate erledigt hatte. Er hatte auch für Roy einiges zu erledigen.
Vor langer Zeit hatte Onkel Roy an die Rückseite seiner vorderen Veranda eine kleine Rampe angebaut für den Fall, dass Mommy zu Besuch kam. Sie war nicht allzu oft dort, aber er baute sie trotzdem. Mir wurde klar, dass er sie gebaut hatte in der Hoffnung, dass sie ihn dann öfter besuchte.
Ich klopfte und rief durch die Fliegengittertür. Onkel Roy forderte mich auf hineinzukommen, erwartete aber nicht, dass Mommy bei mir war. Er saß alleine im Wohnzimmer. Als er sie sah, stand er schnell auf.
»Oh Roy, es tut mir so Leid«, sagte Mommy. Sie streckte ihm die Arme entgegen. Er fiel auf die Knie und vergrub seinen Kopf in ihrem Schoß, als sei er ein
kleiner Junge. Sie streichelte sein Haar. Er weinte nicht. Er lehnte sich nur gegen sie. Sie schaute zu mir hoch.
»Koch doch Kaffee und kümmere dich um etwas zu essen, Schätzchen.«
Ich nickte und ging schnell in die Küche, dabei warf ich einen Blick zur Treppe, die zu Harleys Zimmer führte. Der Lärm, den ich machte, und das Gemurmel von Mommys und Roys Stimmen erregten seine Neugierde. Als ich mich wenige Minuten später umdrehte, sah ich ihn in der Tür stehen.
»Mommy ist zu Besuch gekommen«, sagte ich. »Ich habe einen Kaffee aufgesetzt.Wie ist es mit etwas zu essen? Toast und Marmelade … oder Käse?«
»Ganz egal«, sagte Harley. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und starrte auf den Tisch, während ich arbeitete. Sobald der Kaffee fertig war, goss ich zwei Tassen ein. Ich wusste, Onkel Roy liebte ihn schwarz und Mommy mochte gerne einen Hauch Milch.
»Ich bringe ihnen das eben«, sagte ich zu Harley. Er schaute hoch und nickte.
Auf halbem Weg den Flur hinunter hörte ich Onkel Roy sagen: »Ich werde bestraft, Rain. Ich werde dafür bestraft, dass ich immer noch so starke Gefühle für dich hege.«
»Sei doch nicht albern, Roy.«
»Gott weiß das, und Gott bestrafte mich, indem er mir mein Kind und meine Frau nahm«, beharrte er. »Das ist alles meine Schuld. Die ganze Tragödie und dieses ganze Elend sind meine Schuld.«
»Hör auf. Das ist dummes Gerede, und das weißt du. Ich höre mir so etwas nicht an«, sagte Mommy barsch.
»Mama wusste es. Das war der wahre Grund, warum sie so erpicht darauf war, dich wegzuschicken, um hier zu leben. Sie wollte, dass du weit weg warst von mir, und sie glaubte, wenn sie dich fest einpflanzt in diese reiche weiße Welt, habe ich dort keinen Platz und keinen Zutritt. Sie konnte nicht vorhersehen, was alles passieren würde und dass du mich herbringen würdest.Aber sie wusste es, und ich wusste, dass sie es wusste. Ich hätte ihren geheimen Wünschen folgen und dich vergessen sollen.«
»Bitte, hör auf, Roy. Bitte«, bat Mommy.
»Es ist mein Fehler«, murmelte er. »Ganz allein mein Fehler.«
Ich stieß die heiße Luft aus, die ich in meiner Lunge eingesperrt hatte. Bevor ich jedoch einen weiteren Schritt vorwärts machte, drehte ich mich um und merkte, dass Harley direkt hinter mir stand. Er war auch die ganze Zeit dort gewesen und hatte jedes Wort gehört. Sein Blick war fest auf mich gerichtet.
»Der Kaffee wird kalt«, sagte er.
Ich eilte vorwärts und brachte ihnen ihren Kaffee. Harley folgte langsam, Mommy nahm seine Hand und sprach ihm leise zu, bat ihn eindringlich, stark zu sein.
»Du solltest an deine Zukunft denken, Harley, und hart arbeiten, um das zu erreichen, was sie stolz auf dich gemacht hätte.«
Er nickte und dankte ihr. Ich kehrte in die Küche zurück und bereitete ein Tablett mit etwas zu essen
vor. Hinterher kamen alle ins Esszimmer und aßen etwas. Daddy traf ein, und er und Onkel Roy gingen weg, um die Einzelheiten für die Beerdigung zu besprechen. Mommy bestand darauf, dass Harley zum Abendessen zu uns kam. Er sagte, er würde es tun, kam aber nicht.Als ich anrief, sagte er, er sei einfach zu müde, und bat mich, Mommy zu danken. Die Tage vor und nach Tante Glendas Beerdigung schienen Tage ohne Stunden und Minuten zu sein, nur ein Dahinfließen der Zeit, das jeden Augenblick genauso wirken ließ wie den Augenblick davor und den Augenblick danach.Am Tag vor der Beerdigung regnete es, aber an jenem Morgen klarte der Himmel auf. Alle Leute, die für Mommys und Großmutter Megans Firma
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