Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes
wissen, wie alt sein Sohn ist. »Genau, genau. Kommt mir wie gestern vor«, fuhr sein Vater fort und blies Rauch nach rechts. Er hielt inne, als wäre ihm gerade etwas klar geworden. »Du hast also kein Bild von mir oder irgend so was?«
»Nein, Sir. Meine Mutter wollte nicht gerne über Sie sprechen. Ich habe sie immer danach gefragt«, fügte er hinzu, um zu beweisen, wie interessiert er war.
»Ja, ja sicher«, sagte sein Vater und wirkte sehr nachdenklich. »Tut mir wirklich Leid wegen Glenda. Die Welt ist eine Schale voller Sorgen, nicht voller Kirschen. Für die meisten von uns, heißt das«, schränkte er ein und warf dabei einen Blick auf mich.
Harley nickte und senkte einen Moment den Blick.
»Das ist ein interessantes Haus«, sagte er. »Wie bist du in seinen Besitz gekommen?«
»Ach, das gehört meiner Familie schon seit langem. Vor etwa zehn Jahren setzte der Konservator des Landkreises es auf eine spezielle Liste, und als Folge davon brauche ich keine Grundsteuer zu bezahlen. Eine große Ersparnis, solange ich nichts daran ändere.Tatsächlich ist es sogar verboten, es zu verändern.«
»Können Sie es nicht einmal streichen?«, platzte ich heraus.
Harleys Vater lachte.
»Doch, ich kann es in den Originalfarben restaurieren, aber ich bin damit ein bisschen faul gewesen. Ihr wisst doch, wie das ist. Du bekommst einen Auftrag und konzentrierst dich darauf, weil jemand dafür bezahlt,
und du vergisst dein eigenes Haus. Bald komme ich bestimmt dazu. Dieser Besitz hat auch eine nette Größe.«
»Es gibt nicht allzu viele Oktogone, ich meine Originalbauten wie diesen«, fuhr Harley fort.
»Stimmt. Du hast Ahnung von diesem Zeug?«, fragte sein Vater überrascht.
»Harley weiß eine Menge über Architektur«, prahlte ich. »Er wird selbst eines Tages Architekt.«
»Stimmt das?«
»Vermutlich«, bestätigte Harley und strahlte mich an. »Sonst komme ich in große Schwierigkeiten.«
»Genau, ganz genau. Ich weiß, was du meinst. Es ist das Victor-Blut, dass du ständig jemanden brauchst, der dich antreibt. Wir besitzen von alleine nicht allzu viel Ehrgeiz. Das Problem bei uns ist, dass wir uns zu leicht zufrieden geben. Aber deswegen leben wir auch lange«, erklärte er.
»Als der Arzt uns fragte, wo wir hinwollten, nannten wir ihm Ihren Namen, aber er sagte, er kenne Sie nur als Buzz.«
»Ach ja? Also, das stimmt. Diesen Spitznamen besitze ich schon, seit ich ein ganz kleiner Steppke war. Eins der ersten Dinge, die ich jemals sah, war wohl eine Biene. Zumindest erzählte man mir das, weil ich immer durch die Gegend lief und summte. Also, daher stammt der Spitzname. Natürlich habe ich deiner Mutter nie davon erzählt«, erwähnte er rasch.
Wir schwiegen einen Moment. Als Suze auftauchte, sprang ich vor Schreck fast hoch. Sie stand urplötzlich in
der Tür, als hätte sie sich aus Luft materialisiert. Ich hatte gar nicht gehört, wie sie die Treppe hinunterkam oder den Flur entlangging.
»Schon alles fertig, Suze?«, fragte Harleys Vater.
»Oui«, sagte sie. »Ich zeige es euch«, sagte sie. »Kommt mit.«
»Macht es euch bequem. Danach essen wir zu Abend und reden, bis wir alle umfallen«, sagte Harleys Vater. Er schaute mich an. »Wie soll man sonst siebzehn Jahre nachholen, hm?«
Ich lächelte.
Wie sonst, dachte ich. Man läuft nicht davon und verliert völlig den Kontakt zu seinem eigenen Kind. So machte man das.
Natürlich sagte ich kein Wort davon. Ich nickte einfach und erhob mich, um mit Harley Suze die Treppe hinauf zu folgen.
Die Zimmer waren klein, aber sie wirkten ordentlich, jedes mit einem einfachen Doppelbett ohne Kopf- oder Fußteil. In jedem Zimmer gab es eine Frisierkommode und zwei Nachttische. Die Deckenleuchten in beiden Zimmern taten es nicht, aber die Stehlampen funktionierten.
Ich sah ein Stück rosa Stoff, das mit einer Schnur zu einem Ball zusammengebunden war, auf einem Kopfkissen.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Das sein gutes gris-gris, ein Zaubersäckchen, das süße Träume schenken«, erklärte sie.
»Was ist darin?«
»Zaubermittel, Kräuter, ein paar abgeschnittene Fingernägel.«
»Abgeschnittene Fingernägel?« Ich schaute Harley an, er zog die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf.
»Es wird funktionieren, du wirst schon sehen«, beharrte Suze. »Wir haben ein Badezimmer quer gegenüber auf der anderen Seite des Flures«, fuhr sie fort. Es hörte sich an, als hätten sie es gerade erbaut. »Ihr teilt es euch, okay?«
»Ja, sicher«, sagte
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