Die Hüter der Nacht
Klasse sind ebenfalls tot! Sie alle sind in der vergangenen Woche gestorben, einschließlich eines Jungen namens Katavi, der auf den Golan-Höhen wohnte. Die ganze Familie wurde gestern ermordet – und diesmal haben die Killer sich nicht bemüht, es als Unfall zu tarnen.«
Baruch betrachtete eingehend Danielles Schrammen und blauen Flecke. »Woher wissen Sie das?«
»Wir waren dort.«
»Wir?«
Danielle versuchte, ihre Lippen zu befeuchten, doch ihre Zunge war trocken geworden.
»Die Nationalpolizei ermittelt eingehend wegen der Ermordung dieser Familie«, sagte Baruch.
»Was ist mit den Leichen?«
»Die haben wir.«
»Ich rede von den Leichen der Killer.«
»Wir fanden nur die ermordete Familie.«
»Die Killer waren dort. Überprüfen Sie die Weingärten. Suchen Sie nach Blut.«
»Das haben wir vor, Pakad. Werden wir auch Blut von Ihnen am Tatort finden?«
»Ja.«
»Sonst noch etwas, das ich wissen sollte?«
Danielle bemühte sich, nicht zu zögern. »Sie werden dort auch Blut von Ben Kamal finden.«
»Sie hielten es also für richtig, einen Palästinenser in Ihre Ermittlungen mit einzubeziehen?«
»Es ist nicht nur meine Ermittlung. Es gibt mindestens einen palästinensischen Schüler aus derselben Schule, der ermordet wurde. Sämtliche Schüler waren befreundet.«
»Die Israelis und dieser Palästinenser?«
»Das können Sie kaum glauben, nicht wahr, Commander?«
Baruch schüttelte geringschätzig den Kopf. »Wo waren Sie in den vergangenen paar Monaten, Pakad? Öffnen Sie die Augen. Betrachten Sie die Realität. Es gibt keinen Geist der Zusammenarbeit mehr zwischen unseren Völkern; es hat ihn niemals wirklich gegeben. Es war alles nur ein Mythos, und Sie sind darauf hereingefallen.«
»Das hat nichts mit dieser Ermittlung zu tun.«
»Es hat alles damit zu tun. Sie haben sich grob unbotmäßig verhalten. Befehlsverweigerung. Gründe für eine Suspendierung, sogar Entlassung, wenn nicht gar für eine Festnahme.« Baruch senkte die Stimme und verlieh ihr einen Klang falschen Mitgefühls. »Unter den gegebenen Umständen werde ich jedoch darauf verzichten. Stattdessen werde ich Sie der Verwaltung im ersten Stock zuteilen. Wir werden Ihre Zukunft nach Ihrem Mutterschaftsurlaub besprechen, um den Sie sicherlich ersuchen werden. Finden Sie das fair, Pakad?«
»Und meine Ermittlungen?«, fragte Danielle.
»Ermordete Kinder hier und in der West-Bank? Da gibt es keine Ermittlungen.«
Danielle schluckte schwer. »Überprüfen Sie nur die Ergebnisse von Beth Jacobers Autopsie, die wahre Ursache ihres Todes.«
»Das habe ich getan.« Baruch nahm einen Aktenhefter von seinem Schreibtisch und ließ ihn auf die Schreibunterlage fallen, in der seine Ellenbogen tiefe Dellen hinterlassen hatten. »Da haben wir die Akte. Sie können sie selbst lesen, wenn Sie wollen, aber ich kann Ihnen die Mühe ersparen. Beth Jacober starb an einem massiven Schädeltrauma, verursacht durch den Autounfall, in den sie verwickelt war. Ihr Blutalkohol betrug eins Komma fünf Promille. Zufrieden?«
Danielle blickte entgeistert auf den Aktenhefter auf Baruchs Schreibtisch. »Aber …«
»Sie werden in zwanzig Minuten in der Verwaltung erwartet«, sagte Baruch und verkniff sich ein zufriedenes Grinsen. »Kommen Sie nicht zu spät.«
31.
»Ich hoffe, Sie haben Hunger, Inspector«, sagte Colonel Nabril al-Asi und wartete, bis seine Frau und die Kinder in die Gondel der Drahtseilbahn gestiegen waren, bevor er Ben hineinführte.
»Ich wusste nicht, dass Sie Ihre Familie mitbringen«, erwiderte Ben verlegen, während sich die beiden jüngsten Söhne und die Tochter des Colonels um den besten Blick auf den Berg der Versuchung balgten, den sie bald ersteigen würden.
»Entspannen Sie sich, Inspector. Das gehört zu meinem Entschluss, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich war immer nur für den Dienst da. Jetzt begleitet meine Familie mich manchmal beim Dienst.«
Ben sah, dass nur er und Familie al-Asi sich in der Gondel aufhielten. Die Frau des Colonels tat ihr Bestes, zwischen ihren Kindern Frieden zu stiften. Sie war jünger, als Ben angenommen hatte, und attraktiver in ihrer eleganten westlichen Kleidung, die so modisch war wie die europäischen Designer-Anzüge ihres Mannes.
Ben hatte kaum Platz genommen, als die Drahtseilbahn sich mit einem Ruck in Bewegung setzte und dann ruhig und lautlos an dem kahlen, felsigen Hang vorüberglitt. Ben wusste, dass der Berg der Versuchung so genannt wurde, weil es jener Ort
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