Die Hüter der Nacht
zurücklassen.«
»Das ist nicht immer schlecht«, bemerkte Ben.
51.
»Ich befürchte, selbst meine Kontakte können da nicht helfen, Inspector«, sagte Nabril al-Asi entschuldigend zu Ben und tippte auf die Liste der Firmen, die den Wartungsdienst von Abasca Machines in Anspruch nahmen. »Nicht mit den dürftigen Informationen, die Sie zur Verfügung haben.«
Monate zuvor, nachdem israelische Kampfhubschrauber das Gebäude des Hauptquartiers des palästinensischen Schutzsicherheitsdienstes mit Bordwaffen beschossen hatten, hatte al-Asi sein Büro hierher in die hinteren Räume eines Gebäudes an der Amman Street verlegt. Die vorderen Räume wurden für Ziviltrauungen von Juden benutzt und an weltgeistliche Israelis vermietet, die sich nicht von einem orthodoxen Rabbi trauen lassen wollten. Solch ein Ritus war erforderlich, um eine Ehe in Israel gültig zu machen. In der West-Bank, wo ein israelischer Geschäftsmann eine Kapelle betrieb und eine Registriergebühr für jede Trauung bezahlte, war das jedoch nicht nötig. Das Gebäude sei perfekt für sein Büro, hatte al-Asi Ben erklärt, weil das Kommen und Gehen unbekannter Gesichter niemals große Aufmerksamkeit erregte.
»Und wenn ich weitere Informationen beschaffen könnte?«, fragte Ben. »Sagen wir mal, einen unwiderlegbaren Beweis, dass die Schüler von einem ihrer Erpressungsopfer ermordet wurden?«
Al-Asi kratzte sich am Kinn. Sein Büro war eng und schlicht möbliert, anscheinend nur ein Treffpunkt, obwohl Ben einige Male sicher gewesen war, eine Etage tiefer Aktivitäten gehört zu haben. Er konnte jedoch keine Treppen oder Zugangstüren entdecken.
»Erzählen Sie mir noch einmal von diesen Kindern, Inspector.«
Ben schilderte die Einzelheiten seiner Ermittlung von Anfang an und fühlte sich ein wenig beruhigter, als al-Asi am Ende seines Berichts nickte.
»Eine Frage, Inspector«, sagte al-Asi. »Wie haben die Schüler mit den Opfern Kontakt aufgenommen?«
»Ich nehme an per E-Mail.«
»Über ihre persönlichen Computer?«
»Möglicherweise.«
»Das bezweifle ich. Wenn Sie vorhätten, solch ein Verbrechen zu begehen, würden Sie dann einen so offenkundigen Beweis zurücklassen?«
»Ich verstehe, was Sie meinen.«
»Natürlich würden Sie das nicht tun, denn keine Verbindung in diesem Teil der Welt ist wirklich sicher. Meine israelischen Freunde beobachten und belauschen alles.«
»Sie meinen, elektronische Korrespondenz kann zu ihrer Quelle zurückverfolgt werden wie ein Telefonat?«
Al-Asi nickte. »Im Wesentlichen ist es ein Telefonat, Inspector. Sicher, es ist möglich, die Sache zu verwirren, indem man das Signal ein wenig herumgeistern lässt. Aber selbst das kann verfolgt werden, vorausgesetzt, man ist geduldig.«
»Auf diese Weise sind Drohungen über das Internet zurückverfolgt worden.«
»Mehr oder weniger.«
»Und was ist die Alternative?«
»Wie wäre es damit, wie ein Kriminalbeamter zu denken, Inspector?«
»Nein, Colonel, wie ein Schüler.«
»Sie haben soeben Ihre eigene Frage beantwortet.«
»Was?«
»Ein Ort mit mehreren Ausgangsleitungen und mehreren Benutzern würde ein Zurückverfolgen viel schwieriger machen. Selbst wenn es der Zielperson tatsächlich gelingen würde, weiß sie nicht zwangsläufig, von welchem Computer die Nachricht gekommen ist oder welche Person sich zu diesem Zeitpunkt eingeloggt hat.«
»Ein Verbund von Computern.«
»Richtig.«
Ben fühlte sich, als hätte ihm soeben jemand einen harten Stoß versetzt. »Die Art, die man … sagen wir mal, in einer High School finden würde.«
»Sehr gut, Inspector«, lobte al-Asi. »Ich glaube, Sie lernen.«
FÜNFTER TAG
52.
Leichter Nebel bedeckte die Landschaft, als Danielle mit dem Mietwagen zum Pflegeheim in Remscheid fuhr. Es befand sich in einem Villenviertel und umfasste zwei miteinander verbundene Gebäude.
Danielle folgte der Beschilderung zum Besucherparkplatz, der zu dieser Morgenstunde praktisch verlassen war. Vom Wagen aus stieg sie eine kleine Treppe hinunter zu einem zweiten Zufahrtsweg, der zum Eingang des Pflegeheims führte. Die riesigen gläsernen Doppeltüren glitten automatisch auf, als sie sich näherte, und sie ging nach links zum Empfangspult.
»Sprechen Sie Englisch?«, fragte sie die in weiß gekleidete Frau an der Rezeption.
»Ja.«
»Ich möchte Herrn Weiss sprechen. Ich nehme an, er ist noch Patient hier.«
»Günther Weiss?«
»Richtig.«
Die Empfangsdame betrachtete Danielle misstrauisch. »Sie sind keine
Weitere Kostenlose Bücher