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Die Hüter der Nacht

Titel: Die Hüter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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sich der inneren Tür zum Projektlabor näherte. Sie ließ vom Kontrollgerät ihre Iris abtasten und hörte, wie die Tür sich mit einem Klicken öffnete.
    »Ich habe dieses Institut gegründet, um Medikamente und Behandlungen für Krankheiten zu finden, von denen die Menschheit am schlimmsten geplagt wird«, sagte Hessler, bevor sie eintraten. »Krankheiten, die Personen beiderlei Geschlechts heimsuchen. Krankheiten, die keinen Unterschied zwischen Schwarz und Weiß, Herkunft und Gesellschaftsklassen machen, und die sich nicht um die Größe unserer Brieftaschen oder unserer Herzen scheren. Ich hielt mich für einen Mann mit einer Vision, Tess.« Hesslers Stimme wurde leiser. »Doch irgendwann im Laufe der Zeit muss ich diese Vision verloren haben. Gott sei Dank hatte Ari sie auch und führte sie weiter.«
    Tess Sandersons Augen wurden feucht, und sie blinzelte. »Die Welt wird es auch ihm danken, Sir.«
    Hessler lächelte gezwungen. »Paul. Nun zeigen Sie mir das Vermächtnis meines Sohnes. Zeigen Sie mir Projekt vier-sechs-null-eins.«

55.
    Danielle blieb nichts anderes übrig, als auf eine weitere Werbepause bei dem Zeichentrickfilm zu warten, den Günther Weiss sich anschaute. Sobald der Film wieder von Werbung unterbrochen wurde und die matten grauen Augen des alten Mannes wieder so etwas wie Leben widerspiegelten, hakte Danielle nach.
    »Herr Weiss, Sie sagten, Sie hätten es eher herausfinden sollen. Was hätten Sie herausfinden sollen? Was meinten Sie damit?«
    Die Lippen des alten Mannes zitterten, und in seinen Augen war Furcht zu sehen. Danielle erkannte, dass sie zu entschlossen und zu schnell vorgegangen war. Sie zwang sich zur Zurückhaltung.
    »Sie sprachen von jemandem namens Mundt.«
    Weiss presste die trockenen Lippen zusammen. »Ja, Karl Mundt, der Bastard. Habe ihm nie getraut – von dem Tag an nicht, als er ins Lager kam. Wusste, dass er etwas im Schilde führte.«
    »Und was?«, fragte Danielle und beobachtete mit einem Auge die Fernsehwerbung.
    »Es hat lange gedauert, bis ich dahinter kam«, krächzte der alte Mann. Er schien mehr durch Danielle hindurchzusehen, als ihr Gesicht wahrzunehmen. »Ich hatte schon gedacht, ich würde ihn niemals durchschauen, doch ich hab's geschafft. Er wusste, dass der Krieg verloren war. Er wusste, dass unsere Zeit fast um war. Ich wusste es auch, wollte es nur nicht wahrhaben. Aber Mundt war dazu bereit. Er war vorbereitet.«
    Danielle sah, das der Bildschirm kurz dunkel wurde, bevor ein weiterer Werbespot begann.
    »Wie war er denn vorbereitet, Herr Weiss?«, fragte sie freundlich.
    »Sie sind eine dumme Frau.«
    »Warum?«
    »Weil es so offensichtlich ist. Können Sie es nicht sehen?«
    »Warum erklären Sie es mir nicht?«
    Weiss' Blick schweifte wieder zum Fernseher; vielleicht spürte er, dass gleich die Fortsetzung des Trickfilms begann. »Karl Mundt war ein Verräter. Die ganze Zeit war er ein Verräter, und ich erkannte es erst, als es zu spät war. Bis ich sah, wie er …«
    Günther Weiss' Miene wurde ausdruckslos, sein Blick so leer wie der Bildschirm nach dem Ende des Werbeblocks. Danielle packte den alten Mann an den Schultern und drehte seinen Rollstuhl, bis er ihr zugewandt war.
    »Bis Sie was sahen?«
    Der Zeichentrickfilm füllte wieder den Bildschirm, doch Danielle versperrte Weiss die Sicht darauf. Sie schüttelte den alten Mann.
    »Reden Sie!« Danielle ging in die Hocke und packte Weiss an den knorrigen Armen. Sie schüttelte ihn wieder, um seine Aufmerksamkeit zu behalten. »Bis Sie sahen, wie er … was?«
    »Starb.« Die trockene Stimme des alten Mannes schnarrte, tat fast dem Ohr weh. »Bis ich sah, wie Mundt starb.«

56.
    Jane Wexler bemühte sich nicht, Bens schockierende Anschuldigung zu leugnen, stand nur wie erstarrt zwischen ihm und ihrem Schreibtisch.
    »Wie haben Sie es herausgefunden?«, fragte sie schließlich.
    »Zeina Ashawi meinte, dass noch jemand in den Plan verwickelt war, aber wenn es ein anderer Schüler gewesen wäre, dann wäre er wie die anderen getötet worden.«
    »Ich nehme an, da hatte ich Glück«, sagte Jane Wexler.
    »Nicht genug, um Ihr Geld zu bekommen. Fast hunderttausend Dollar in bar wurden unter Michael Saltzmans Bett gefunden, offenbar zurückgehalten von Beth Jacober. Es ergab keinen Sinn, dass die Schüler ein solches Risiko eingegangen waren, es sei denn, ein anderer Kumpan erwartete seinen Anteil.«
    Jane Wexler zitterte leicht. Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, die weiterhin

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