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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sehen. Vielleicht den Fremden, der gar nicht dagewesen war. »Man hat das Gebäude nach Termiten inspiziert, und ich bin sicher, wenn es Hinweise auf Ratten gäbe, hätte das auch in dem Bericht gestanden. Natürlich hätte eine Ratte hier reinkommen und eingeschlossen werden können …«
    Joel strich an den Wänden entlang und warf einen Blick ins Bad und den Wandschrank daneben. »Diese Pappkartons … sind das schon Umzugskisten von dir?«
    »Nein. Die müssen der Vorbesitzerin gehört haben. Ich werde den Makler anrufen. Wenn er die Sachen nicht fortschaffen läßt, bringe ich sie auf die Müllkippe. Was ist überhaupt da drin?«
    Joel hob einen Deckel an. »Künstlerkram. Farben, Pinsel, Ton … was ist das? Kerzen? Nein, Räucherstäbchen. Riecht wie das Zeug, das die Hare-Krishna-Jünger auf der Straße verkaufen. Ein paar alte Tontöpfe. Wenn man bedenkt, was die Sachen heutzutage kosten, sollte man nicht glauben, daß jemand brauchbaren Künstlerbedarf zurückläßt.«
    Leslie mochte den Karton gar nicht anrühren. Aus dem Inneren stieg ein leicht süßlicher Geruch auf, der vom Räucherwerk herrühren mochte. Sie schaute Joel an, der mit windzerzaustem Haar neben dem Karton kniete, und dachte daran, wie gern sie ihn hatte. Rasch beugte sie sich vor und küßte ihn auf die Stirn.
    Lächelnd blickte er auf. »Wofür war das denn?«
    »Ich mußte gerade daran denken, wie dankbar ich bin, daß du mich wieder angerufen hast. Wie gut, daß ich das Telefon doch nicht abgemeldet habe, als ich diese anonymen Anrufe bekam.«
    Joel erhob sich und umarmte sie.
    »Da kann ich dir nur beipflichten, Schatz. Jetzt zeig mir den Rest des Hauses. Ich muß zugeben, daß das Atelier mich nicht sonderlich beeindruckt hat.«
    Joel stand in der Mitte des Büros mit dem Erkerfenster und blickte sich anerkennend um. Leslie trat neben ihn und betrachtete das Panorama aus Himmel und Meer und den dichten Nebel, der wie in Wellen durch das Golden Gate in die Bucht wallte. Die unteren Pfeiler der Brücke waren bereits in den Schwaden verschwunden, so daß nur noch der anmutig geschwungene Brückenbogen zu erkennen war.
    »Ein Jammer. Als Büro ist dieser Raum zu schade. Es ließe sich ein elegantes Eßzimmer daraus machen.«
    Leslie hatte keine Lust, mit Joel über ihre Arbeit zu diskutieren. »Auf der anderen Seite der Diele liegen zwei identische Räume«, sagte sie, als hätte sie Joel gar nicht gehört. »Dort kann Emily spielen, soviel sie möchte. Die beiden Zimmerfluchten sind identisch, nur daß ich den herrlichen Ausblick auf die Bucht habe und Emilys Zimmer auf den Kräutergarten geht. Dort ist genug Platz für den Flügel und die alte Konzertharfe unserer Großmutter.«
    »Das Mädchen kann froh sein, eine Schwester wie dich zu haben. Sie hat mehr Glück, als sie verdient. Hast du je darüber nachgedacht, hier ein Wohnzimmer einzurichten und das Klavier ins Atelier zu stellen? Dort könnte Emily sogar noch ungestörter üben.«
    »Das würde ich ihr niemals antun. Der Raum ist ohnehin zu feucht für den Flügel. Außerdem ist er scheußlich und deprimierend.«
    Joel zuckte die Achseln. »Dann stell einen Heizkörper hinein. Warum willst du deiner Schwester das schönste Zimmer geben? Ich finde, du tust schon genug für sie, indem du sie aufs Konservatorium schickst. Du verwöhnst das Kind.«
    »Ich bezahle die Gebühren für das Konservatorium nicht. Emily besitzt einen Anteil an demselben Geld, mit dem ich dieses Haus erworben habe«, entgegnete Leslie. »Aber sie muß hier wohnen. Schließlich kann sie nicht ständig zwischen Sacramento und San Francisco pendeln. Und durch den Umzug wird natürlich vieles einfacher. Ein paar Straßen weiter hält ein Bus, mit dem sie direkt bis zum Konservatorium fahren kann.«
    Joel runzelte die Stirn und schien einen Augenblick zu lauschen.
    »Hast du gerade etwas gehört, Leslie?«
    »Nein. Nichts«, gab sie verwundert zurück. Im Gegenteil, sie genoß die Stille. Selbst der Straßenlärm schien angenehm weit entfernt.
    »Wahrscheinlich habe ich mir nur etwas eingebildet. Aber hier drinnen zieht es – steht eines von diesen Fenstern offen?« Er trat ans Erkerfenster, das zur Straße hinausging, und inspizierte auch die kleineren, schmalen Fenster daneben. »Nein, doch nicht. Sieh mal, alle Fenster im Erdgeschoß sind mit Metallgittern geschützt. Das ist eine gute Idee angesichts der Straßenkriminalität und der vielen Einbrüche heutzutage.« Die Stirn leicht in Falten gelegt, schritt

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