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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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des Flusses. Ash hatte ihn immer unwiderstehlich gefunden, aber Flax war nicht er.
    Flax starrte in die Dunkelheit und lauschte. »Ich schwöre«, sagte er plötzlich.
    Wie ein Mann holten die Männer tief Luft und stießen ein Triumphgeheul aus, das von der Decke der Höhle widerhallte. Das war das Geräusch, das sie in der ersten Nacht gehört hatten, aber dieses Mal hellte es ihre Stimmung auf, statt sie zu verdüstern. Ash spürte, dass er grinsen musste, und auch Flax setzte ein breites Lächeln auf, während er einen langen Seufzer ausstieß.
    »Und was jetzt?«, wollte er wissen.
    Ash warf ihm einen kurzen, verschmitzten Blick zu und trat zurück. »Jetzt springst du«, sagte er.
    »Über das hier?«
    Ash nickte. Das Geheul wurde lauter, und Rowan rannte los und sprang hoch und weit über den schwarzen Abgrund, über das dröhnende Wasser, bis er in geduckter Haltung auf der anderen Seite landete und dort auf Flax wartete.
    »Als Nächster du«, sagte Ash. »Komm.«
    Flax stieß erneut den Atem aus und ging dann so weit zurück, wie es möglich war, so weit, bis ihm das Feuer beinahe an den Beinen leckte. Dann rannte er los und sprang.

    Hoch sprang er nicht, und einen schrecklichen Moment lang befürchtete Ash, er werde abstürzen und er, Ash, würde Zel seinen Tod erklären müssen. Ich habe versprochen, auf ihn aufzupassen, dachte er panisch. Dann aber hatte Flax den Spalt sicher übersprungen und brach vor Rowans Füßen beinahe zusammen. Sein Atem ging viel schneller, als der Sprung es ihm abverlangt hatte. Ja, dachte Ash, wir alle lernen hier die Furcht kennen. Rowan half Flax auf die Beine und schlug ihm beglückwünschend auf den Rücken.
    Sie gingen den Gang hinunter, und Ash kehrte zu der Lichtung zurück und ließ sich dort nieder, um zu warten. Morgen würde Flax zum ersten Mal direkt an den Fluss geführt werden. In der Nacht danach würde sie ihn in sich aufnehmen. Das war die Nacht, in der Ash klettern würde.
    Den ganzen Abend über hütete er das Feuer und versuchte, seinen knurrenden Magen zu ignorieren. Der Hunger würde noch nagender werden, das wusste er. Er hatte gesehen, wie andere junge Männer beim Klettern gestolpert waren, weil sie vor Hunger wirr im Kopf waren. Durch das Fasten gestaltete sich das Klettern gefährlicher; es reinigte jedoch den Geist und öffnete das Herz für den Fluss. Deswegen war es notwendig.
    Während er das Feuer am Brennen hielt, erkannte Ash, dass sich in seinem Kopf Musik aufbaute; eine vielschichtige Art Musik, für die er keine Worte fand, keine Möglichkeit, sie einem anderen zu beschreiben. Er sinnierte über das, was Skink nach seinem Gesang gesagt hatte. Er hatte den Ton getroffen. Seine Stimme war klangtreu, mochte sie auch schrecklich sein. Falls er jemanden fand, der bereit war, ihm zuzuhören, konnte er seine Musik endlich teilen. Doch während ihm ineinandergreifende Muster aus Flöte und Trommel, aus Harfe und Gesang durch den Kopf gingen, hegte er Zweifel daran, ob ein schlichter Gesang das vermitteln
konnte, was er wollte. Vielleicht war diese Musik schlechterdings nicht dazu bestimmt, von anderen gehört zu werden. Vielleicht war sie nur für die Götter.
    Er widerstand der Versuchung, die Deutungssteine herauszuholen und zu befragen. Für sich selbst zu deuten war bekanntermaßen nicht verlässlich. Stattdessen beschloss er, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit Martine zu befragen.
    Denn er war davon überzeugt, dass es eine Zukunft geben würde; dass sie diesen Saker überwinden würden und dass er, Ash, in dieser Zukunft keine Schutzwache sein würde. In die Tiefe zurückzukehren hatte seine Liebe zur Musik wieder aufleben lassen. Er dachte an Flax und die Schönheit seiner Stimme. Aber es war das Lied, das diese Stimme präsentierte, und Flax war bloß Sänger, kein Liedermacher. Ash hatte das Gefühl, womöglich Lieder machen zu können, die es mit der Schönheit von Die fernen Hügel aufnehmen konnten. Falls er eine Möglichkeit fand, die Lieder anderen beizubringen.
    Die jungen Männer kamen kurz vor der Dämmerung erschöpft zurück und aßen kaltes Fleisch, Renekloden und Käse. Ash setzte sich ein wenig abseits von ihnen, damit er nicht den Geruch des Essens wahrnahm. Dann erhellte die Morgendämmerung die roten Felswände, und nun sahen sie aus, als wären ihre Körper mit Blut übergossen. Die Männer kehrten in ihrer wahren Gestalt aus den Höhlen zurück, frühstückten und fielen dann alle, auch Ash, in dem

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