Die Hueterin der Krone
Adeliza, während die Zofen ihren Hermelinumhang mit den Goldschnallen schlossen.
»Du musst doch verstehen, dass uns die Hände gebunden sind«, flehte Adeliza Matilda um Verständnis an.
»Hätten sich alle an die Verfügungen meines Vaters gehalten, wäre es gar nicht dazu gekommen«, erwiderte Matilda kurz.
»Das ist richtig, aber jetzt muss jeder unliebsame Entscheidungen treffen.« Adeliza biss sich auf die Lippen. »Du musst mir schreiben. Ich muss wissen, wie es dir geht.«
Matilda war versucht, sie zu fragen, ob sie die Briefe ihrem Dummkopf von Mann zeigen oder an Stephen weitergeben würde, aber sie verkniff sich die Bemerkung. »Wenn ich kann«, gab sie zurück. Dann wandte sie sich zur Tür. »Nein, komm nicht mit.«
Adelizas Augen füllten sich mit Tränen. »Ich kann es nicht ertragen, dich so gehen zu lassen. Darf ich dich nicht wenigstens umarmen?«
Trotz ihres Grolls willigte Matilda ein, und als sich Adelizas Arme um sie schlangen, bewog sie eine plötzliche Gefühlsaufwallung, Adeliza gleichfalls an sich zu drücken. Als sie merkte, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen, machte sie sich los und straffte sich wie ein Soldat.
»Gott schütze dich«, flüsterte Adeliza. »Ich werde für dich beten.«
Im Hof warteten der Bischof von Winchester und Waleran mit Will D’Albini auf sie. Da Henry of Winchester nicht nur Bischof, sondern auch päpstlicher Legat war, musste Matilda vor ihm niederknien. Sie wusste, dass er sie taxierte wie eine Spinne, in deren Netz schon mehrere Fliegen klebten, sein eigener Bruder eingeschlossen, und sich fragte, ob er auch sie darin verstricken konnte. Waleran de Meulan dagegen war ein Wolf; bereit, sich auf seine Feinde zu stürzen und ihnen die Kehle aufzureißen.
»Base«, begann Henry of Winchester freundlich. »Ich wünschte, wir würden uns unter anderen Umständen begegnen.«
»In der Tat, Mylord«, erwiderte Matilda. Von Meulan nahm sie außer einem knappen Nicken keinerlei Notiz. Er kniete nieder, um ihr die gebührende Ehre zu erweisen, erhob sich aber augenblicklich wieder, sodass sein Knie kaum den Boden berührte. Matilda presste die Lippen zusammen.
Will half ihr in eine Kutsche, die Bestandteil der Verhandlungen gewesen war. Sie enthielt ihr Gepäck und war mit einer mit den goldenen Löwen ihres Vaters bemalten kostbaren Zeltplane bedeckt. So konnten Stephens Soldaten sie nicht sehen, wenn sie das feindliche Lager passierte, und man gewann den Eindruck, sie reise freiwillig und in friedlicher Absicht ab.
Will sank erneut vor ihr auf die Knie, verharrte einen Moment und erhob sich wieder. Sie rechnete damit, dass er verlegen oder beschämt den Blick abwendete, aber er sah sie ruhig und ein wenig betrübt an.
»Gute Reise, Herrin. Ich wünsche Euch alles Gute.«
»Aber Ihr wollt mich los sein, nicht wahr? Nun, Ihr habt Euren Willen, Mylord. Möge es Euren Schlaf nicht beeinträchtigen.« Sie stieg in die Kutsche, ließ den Vorhang fallen und nahm zwischen den Kissen und Pelzen Platz, mit denen die Seiten gepolstert waren. Licht flutete durch den roten Stoff und tauchte alles um sie herum in einen karminroten Schein, wie wenn man mit geschlossenen Augenlidern in die Sonne sah. Matilda barg kurz das Gesicht in den Händen, und ein Zittern lief durch ihren Körper, aber sie gab keinen Laut von sich.
Will fand seine Frau in der Kammer, in der Matilda während ihres kurzen Aufenthalts gewohnt hatte. Er war unsicher, wie sie ihn empfangen würde, aber als sie sich zu ihm umdrehte, sah er keinen Zorn in ihren Augen, nur Furcht und Trauer.
»Ich habe Angst um sie«, sagte sie leise. »Ich habe Angst um uns alle.«
Er legte die Arme um sie und küsste sie auf den Scheitel. »Bei unserer Hochzeit habe ich geschworen, dich zu beschützen, und das werde ich tun, egal was geschieht.« Ein Anflug von Gereiztheit schlich sich in seine Stimme, weil er das Gefühl hatte, sein Ehrenwort werde angezweifelt. »Ich bin ein Mann, der seine Versprechen hält.«
Adeliza lehnte den Kopf an seine Brust. »Ich weiß, aber es stimmt mich traurig, dass du sie nicht genauso beschützen kannst wie mich.«
»Sie kann auf sich selbst aufpassen«, murmelte er, während er daran dachte, wie ihre großen grauen Augen, bevor sie die Kutsche bestieg, auf ihm geruht hatten. Verächtlich. Stolz. Zornig.
»Nein«, widersprach Adeliza. »In diesem Punkt irrst du dich. Das kann sie nicht, weil sie selbst ihr schlimmster Feind ist.«
Die Reisegruppe übernachtete in
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