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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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Gegenwehr, aber Geoffrey machte nur ein nachdenkliches Gesicht.
    »Du hast Recht«, räumte er ein. »Und es hat keinen Sinn, dass wir zusammenbleiben, wenn wir getrennt mehr erreichen können. Die Menschen sollen dir in Argentan, Montauban, Domfront und Exemes huldigen. Ich werde dich bis Alençon begleiten, dann nach Mayenne weiterreiten, um mir die Unterstützung von Lord Juhel zu sichern, und später zu dir stoßen.« Er fixierte sie mit seinen klaren blaugrünen Augen. »Wir haben zwar mit schwerwiegenden Differenzen zu kämpfen, aber uns verbindet ein gemeinsames Ziel, das über alle Zwistigkeiten hinausgeht. Wenn unser Sohn als erwachsener Mann über die Normandie und England herrschen soll, dann ist es an uns, ihm beide Reiche zu sichern.«
    Sie bedachte ihn mit einem harten Blick. »Zuerst gehören sie mir.«
    In Geoffreys Miene spiegelte sich ärgerliche Belustigung wider. »Wie du meinst, aber erst musst du beide erobern, und das kannst du ohne meine Hilfe nicht. Wenn du die Herrscherin von England und der Normandie werden willst, brauchst du einen fähigen Stellvertreter, und du wirst Macht abgeben müssen, ob es dir gefällt oder nicht. Die Normandie bedeu tet zwar nicht die Krone, aber sie ist der Schlüssel zu allem.« Er deutete auf die Bank an seiner Seite. »Mein Gott, setz dich, bevor du umkippst. Bis zum Morgen kannst du ja doch nichts mehr tun.«
    Matilda blieb stehen. »O doch. Ich muss für die Seele meines Vaters beten.«
    Geoffreys Lippen kräuselten sich. »Die Seele deines Vaters hat sicherlich viele Gebete nötig, aber du nützt weder dir noch sonst jemandem, wenn du dich nicht ausruhst.«
    Sie gab ihm keine Antwort, sondern ging hinaus und begab sich zur Kapelle. Geoffrey hatte Recht, aber sie war halsstarrig, und sie hatte ihre Pflicht zu tun. Sie fröstelte in der kalten Dezembernacht, als sie vor dem Altar niederkniete. Die Kerzen auf dem Altar und in den Haltern bildeten die einzige Wärmequelle; ihr Atem stand in weißen Wölkchen vor ihrem Mund. Die Flammen fingen sich in dem juwelenbesetzten Kreuz auf dem Altar und dem emaillierten Triptychon der Heiligen Jungfrau mit Kind. Die Fliesen des Kapellenbodens fühlten sich unter ihren Knien eisig an, und sie verspürte ein flaues Gefühl im Magen, weil sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. »Warum?«, fragte sie. »Warum, Vater? Hast du die Männer wirklich von ihrem Eid entbunden? Hattest du überhaupt je die Absicht, mich zur Könign zu machen, oder war das nur ein Mittel, um uns bei der Stange zu halten?« Sie erinnerte sich daran, wie er Henry auf seinen Knien geschaukelt und ihn einen prächtigen kleinen König genannt hatte, aber mit einem Ausdruck in den Augen, dass nur er und niemand sonst ein König war. Nun war er kein König in der Welt der Lebenden mehr, sondern eine nackte Seele im Leben nach dem Tod. Die Zügel waren seinen Händen entglitten, und die, die nach ihm die Zügel ergreifen wollten, mussten mit Zähnen und Klauen darum kämpfen, das Pferd zu besteigen und sich im Sattel zu halten. Ihr Herz war schwer, ihre Brust schnürte sich zusammen, aber sie ließ den in ihren Augen brennenden Tränen keinen freien Lauf, weil Tränen ein Zeichen von Schwäche waren und sie all diese Makel in ihrem Schutzpanzer ausmerzen musste. Es galt, ein Königreich und ein Herzogtum zu erobern. Mit ausgebreiteten Armen betete sie auf dem Boden liegend zur Heiligen Mutter, ihr die Kraft zu schenken, dieses Vorhaben durchzuführen und zu einem glücklichen Ende zu bringen.
    Als die Mauern von Argentan in Sicht kamen, konnte sich Matilda kaum noch im Sattel halten. Vor zehn Tagen hatte sie geglaubt, möglicherweise wieder schwanger zu sein. Jetzt war sie sicher, die Übelkeit hatte in vollem Maße eingesetzt, begleitet von einer abgrundtiefen Erschöpfung. Sie konnte es sich nicht leisten, während dieser Schwangerschaft Krankheitssym ptome zu entwickeln; sie musste die Südnormandie sichern und beweisen, dass sie eine Machtposition innehatte, an der man nicht vorbeikam, denn wenn sie nicht als Lehnsherrin anerkannt wurde, bedeutete das auch das Ende aller Ansprüche Henrys und seiner Nachkommen.
    Geoffrey hatte sie bis Alençon begleitet, ihr eine Eskorte von schwer bewaffneten Rittern und Sergeanten zur Seite gestellt und war dann Richtung Osten geritten, um sich der Unterstützung von Juhel de Mayenne zu versichern. Ihr war weder Feindseligkeit noch Widerstand entgegengeschlagen. Die Reisenden, die ihr begegneten, verhielten

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