Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
Vom Netzwerk:
Dass Severin seinem Mörder begegnet war, stand außer Frage. Die Nachricht ihres Vaters bedeutete einzig, dass ihr Gatte mit dem Mann verabredet gewesen war. Und auch das war nicht weiter verwunderlich. Im Geiste ging sie blitzschnell die Namen der Personen durch, von denen sie wusste, dass diese in jener Nacht in der Posthalterei gewesen waren. Doch ihr Vater schied als Täter aus, blieb nur Pater Ehlert!
    Hatte der Jesuit Severin Meitinger erschlagen? War ein Bruder der Gemeinschaft Jesu zu einem Mord fähig? Konnte überhaupt ein Geistlicher die Hand gegen einen anderen Menschen heben und sich der schlimmsten Sünde schuldig machen? Sebastian Rehm hatte ihr von schrecklichen Vorfällen im Vatikan berichtet, die sich im Laufe der Geschichte zugetragen hatten. Warum also sollte ein einfacher Priester nicht zum Mörder werden, um seine eigenen oder die Interessen seines Glaubens zu verteidigen? Zumindest würde das erklären, warum Pater Ehlert immer gerade bei den Todesfällen zur Stelle gewesen war. Und es machte deutlich, dass er Christiane tatsächlich verfolgte. Nach dem Warum brauchte sie sich in diesem Fall nicht mehr zu fragen.
    Ein Schauer lief über ihren Rücken. Weniger aus Neugier,als vielmehr um sich von der schrecklichen Möglichkeit abzulenken, die sich nunmehr vor ihr auftat, wechselte sie das Thema: »Mir ist aufgefallen, dass ich wenig über die Familiengeschichte der Meitingers weiß. Das ist ein nicht wiedergutzumachender Fehler, meine ich, zumal Severin für immer schweigt. Und der Schwäher spricht nicht gerne mit mir ...«
    »Das kann ich verstehen«, knurrte Hans Walser.
    »Kanntest du eigentlich die verstorbene Meitingerin, meine Vorgängerin?« Ihr schien dies die harmloseste aller Fragen zu sein. Damit wollte sie ihren Vater erst mal beruhigen, zumal ihr Interesse durchaus verständlich sein musste. Von dieser Antwort wollte sie sich weiter in die Vergangenheit zurücktasten und ihren Vater nach möglichen Familienmitgliedern aushorchen, die ein Gelübde abgelegt haben könnten.
    »Natürlich«, antwortete er prompt und trank noch einen kräftigen Schluck Bier. Dann fügte er hinzu: »Das war die ältere Schwester von Georg Imhoff ...«
    Christiane glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf, ergaben jedoch keinen Sinn. Sie versuchte verzweifelt, etwas von dem, was sich da in ihrem Geist zusammenfügte, festzuhalten, doch das Mosaik war nichts anderes als ein Haufen kleiner Steinchen, die auseinanderbrachen, kaum dass sie ein Muster zu erkennen glaubte. Später, dachte sie, später würde sie sortieren, was ihr im Moment nicht zu ordnen möglich war.
    »Wusstest du das nicht?«, erkundigte sich Walser, wohl seinerseits reichlich überrascht. »Man sollte annehmen, dass du wenigstens einen Blick ins Kirchenbuch geworfen hast, als ich dich Severin zur Frau gab.«
    Ihre Trauung war nicht unbedingt ein Erlebnis, an das sie sich gerne erinnerte. Vielleicht hatte sie deshalb den einfachsten Weg übersehen, die Familiengeschichte der Meitingers zu erforschen: Nicht ihr Vater war die beste Informationsquelle,sondern das Kirchenbuch von St. Moritz, darin wurden Hochzeiten, Taufe, Erstkommunion, Firmung und Todesfälle in der Gemeinde festgehalten. In den Unterlagen der Pfarrei würde sie vielleicht finden, warum der alte Titus die Mozetta eines Pilgers auf dem Jakobsweg hinter seinem Bett versteckte.
    Unvermittelt wandte sie sich zu dem Stuhl, auf dem sie anfangs gesessen hatte. »Du hast vollkommen recht, Vater«, behauptete sie und raffte Buch und Apfelmostkrug zusammen, da sie es plötzlich sehr eilig hatte. Sie spürte den bohrenden, neugierigen Blick ihres Vaters auf sich und verkündete: »Ich werde in die Kirche gehen.«
    »Das steht dir als Witwe gut an.«
    Obwohl sie sich über seine herablassende Antwort ärgerte, ignorierte sie diese. Sie bemühte sich um einen freundlichen Ton, als sie fragte: »Der alte Titus ist seit Tagen verschwunden. Ich mache mir Sorgen um ihn. Hast du eine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte?«
    Der Brunnenmeister zuckte mit den Schultern. »Nein. Er war schon immer ein äußerst verschlossener Mann, der seiner eigenen Wege ging. Vielleicht hat er in einem Kloster Quartier genommen und meditiert. Das würde zu ihm passen. Außerdem muss er sich ja wohl nach einer neuen Bleibe umsehen, wenn die Sache mit den Schulden stimmt.«
    Und ich auch, sinnierte sie bitter. Aber an ihre Zukunft mochte sie im Moment nicht denken.

33
    »Ist dir

Weitere Kostenlose Bücher