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Die Hüterin des Schattenbergs

Die Hüterin des Schattenbergs

Titel: Die Hüterin des Schattenbergs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Galdez damit gemeint hatte, als er gesagt hatte, er sei der Blinde gewesen. A uch sie war auf ihre W eise eine Blinde gewesen. A hnungslos, in dem festen Glauben, alles sehen zu können, hatte sie zufrieden in den T ag hinein gelebt. Ohne nachzudenken oder aufzubegehren hatte sie getan, was man sie gelehrt hatte und erfüllt, was von ihr verlangt wurde, und war dabei sogar glücklich gewesen.
    Rückblickend erkannte sie nun mühelos, wo sie anderen Unrecht getan hatte, wo sie sich hatte ausnutzen lassen und wann sie tatenlos zugesehen hatte, wie anderen ein Unrecht angetan worden war. Es war, als wäre sie aus einem bösen T raum erwacht und sie ahnte, dass es noch eine W eile dauern würde, bis sie das ganze A usmaß des V erbrechens, das den Selketen durch Orekhs Schattenzauber angetan wurde, wirklich verstand. A ber sie spürte auch, dass der erste Schritt getan war.
    »Es war falsch, Rik«, sagte sie abschließend. »Orekh hat seinen Plan damals nicht bis zum Ende durchdacht. Das hat er selbst eingestanden. In seinem Bestreben, das Morden zu beenden, war er blind für all die kleinen Dinge, die ein gesundes Gleichgewicht ausmachen. Für ihn gab es nur Schwarz oder W eiß, und Schwarz war sein Feind.« Sie verstummte kurz, um A tem zu schöpfen. Es war das erste Mal, dass ein T hema ihr so nahe ging, dass sie Erschöpfung beim Reden verspürte. A ber noch hatte sie nicht alles gesagt.
    »Die Magier beuten die Menschen aus, Rik!«, fuhr sie eindringlich fort. »Verstehst du? Und das Schlimme daran ist, dass die Selketen nicht bemerken, wie übel ihnen mitgespielt wird. Aber selbst wenn sie es wüssten, könnten sie nichts dagegen tun, weil ihnen durch Orekhs Zauber die Fähigkeit genommen wurde, sich gegen solche Ungerechtigkeiten aufzulehnen.« Jemina atmete schnell. »Orekh hat uns den Frieden gebracht«, sagte sie abschließend. »Aber bei den Göttern, um welchen Preis?« Sie schaute Rik an. »Auch wenn die anderen mich dafür verachten«, sagte sie mit einer Spur von T rotz in der Stimme. »Auch wenn sie mich eine V erräterin nennen. Mein Entschluss steht fest. Es wird keinen Neunten Zirkel geben. Zu lange schon haben die Hüter sich zu Handlangern der Magier gemacht. Im Glauben Gutes zu tun, waren sie blind für das Unrecht, das sich in unserem Land wie ein schleichendes Gift mehr und mehr ausgebreitet hat. A ber das hat nun ein Ende. W enn es stimmt, was Orekh mir erzählt hat, haben die Götter die Hüter offenbar mit A bsicht getötet. Es ist ihr W ille, dass sich die Schatten aus dem Berg befreien können und das Gleichgewicht der Schöpfung wiederhergestellt wird. Und ich werde mich ganz gewiss nicht gegen diese Entscheidung stellen.« Jemina verstummte. Sie hatte alles gesagt. Müde fuhr sie sich mit den Händen über das Gesicht und schwieg.
    »Du … hast dich verändert«, stellte Rik nach einem A ugenblick des Schweigens fest.
    Es war nicht die A ntwort, die Jemina erwartet hatte, aber immerhin schien Rik seine Sprache wiedergefunden zu haben. »Ich weiß«, sagte sie leise. Zu gern hätte sie noch mehr gesagt. In ihr waren noch so viele W orte, die ihr mit Macht über die Lippen drängten, aber sie spürte, wie aufgewühlt Rik war, und nahm sich zurück.
    »Was du eben gesagt hast, ist genau das, was ich Galdez – und dir – schon mehrfach zu erklären versucht habe«, fuhr Rik gedehnt fort, ganz so, als müsste er jedes W ort erst sorgfältig abwägen. »Ich … ich sollte froh sein, es aus deinem Mund zu hören, aber die V eränderung kommt so plötzlich …« Er überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass du deine ureigene Überzeugung nur deshalb geändert hast, weil du mit den Geistern von Orekh und Galdez gesprochen hast.«
    »Heißt das, du glaubst mir nicht?« Jeminas W angen röteten sich, ihr Herz schlug schneller und in ihrem Magen breitete sich ein hohles Gefühl aus – zum zweiten Mal spürte sie bewusst Ärger und Enttäuschung.
    »Doch … ja, ich glaube dir.« Rik hob in einer beschwichtigenden Geste die Hand. »Ich versuche nur zu verstehen, wie du dich so schnell verändern konntest.« Er schaute ihr in die A ugen und seine Stimme wurde sanft. »Weißt du, als du das eben alles erzählt hast, habe ich mich selbst reden gehört. Es war, als würdest du mir aus der Seele sprechen. Ich habe mich dir so nah gefühlt wie niemals zuvor. A lles, was du gesagt hast, ist gut und richtig und ich bin der Letzte, der versuchen würde, dich umzustimmen. W

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