Die Hüterin des Schattenbergs
Zweige.« Jemina lief zurück zur T anne.
Rik folgte ihr. »Meinst du, sie sehen es?«, fragte er.
»Wenn sie noch hier sind und nach uns suchen, dann ja.« Jemina war sich ihrer Sache sicher. »Sie hoffen bestimmt, dass wir frieren und ein Feuer entzünden.«
»Wir sind doch verrückt.« Rik schüttelte den Kopf. »Nach der geglückten Flucht locken wir unsere V erfolger geradewegs wieder zu uns.«
»Ja, verrückt. Ich weiß.« Jemina legte neue Zweige auf das Feuer. »Aber es ist der einzige W eg, unser V olk vor Corneus’ Irrsinn zu retten.«
»Wenn alles gut geht. W enn …« Rik seufzte. »Die Drachen anzulocken, ist schließlich nur ein T eil deines verrückten Plans. Ich wage nicht daran zu denken, was noch alles schiefgehen kann.«
»Ich auch nicht.« Jemina war schon wieder auf dem W eg zur T anne, um neue Äste zu holen.
» Mut und Dummheit liegen oft nicht mal eine Haaresbreite auseinander « , wiederholte Rik Salvias’ Worte gerade so laut, dass Jemina es hören musste und warf seine Äste auf das Feuer. »Die Zukunft wird zeigen, ob wir das Richtige tun.«
Eine halbe Stunde später war ein Lagerfeuer entstanden, dessen Glut eine behagliche W ärme verströmte. Rik und Jemina hatten genügend trockenes A st- und Strauchwerk herbeigeschafft, um die Flammen eine W eile am Leben zu halten. Nun saßen sie neben dem Feuer und gönnten sich etwas Ruhe.
»Du hast mir immer noch nicht verraten, wie du Salvias dazu bringen willst, uns beide zurück zur Feste der Magier zu fliegen«, sagte Rik nach einem A ugenblick des Schweigens.
»Hiermit.« Jemina griff in ihr Gewand und zeigte Rik den Stein, den Orekh ihr gegeben hatte.
»Was ist das?« Rik nahm ihr den Stein aus der Hand, hielt ihn ins Licht und betrachtete ihn von allen Seiten.
»Ein Stein.«
»Ein Stein?« Rik schaute sie an, als hätte sie den V erstand verloren.
»Ein magischer Stein«, ergänzte Jemina. »Orekh hat ihn mir geschenkt.«
»Und wozu soll der gut sein?«, fragte Rik zweifelnd.
»Das … hat er mit nicht gesagt.« Jemina war immer noch nicht bereit, Rik von dem V ersprechen zu erzählen, dass sie Orekh gegeben hatte.
»Wunderbar.« Rik war spürbar enttäuscht. »Was macht dich dann so sicher, dass du Salvias damit überreden kannst, uns zu verschonen?«
»Sieh dir den Stein doch mal genau an«, forderte Jemina Rik auf.
»Er ist grau, flach, glatt und fast viereckig«, sagte Rik ohne jede Begeisterung. »Ein Stein eben.«
»Und die Seiten?«, fragte Jemina. »Sieh dir die Seiten einmal genau an.«
Rik hielt den Stein so, dass das Licht des Feuers auf eine schmale Seite fiel. »Hm … an der Seite sind dünne Streifen zu sehen. Ganz so als ob der Stein aus vielen verschiedenen Schichten bestehen würde.« Er schaute Jemina ratlos an. »Na und?«
»Erinnert dich das nicht an etwas?« Jemina konnte nicht glauben, dass Rik so wenig Fantasie hatte. Sie hatte den Stein mehr zufällig zur Hand genommen, als sie darüber nachgedacht hatte, wie sie möglichst schnell zur Feste gelangen konnten, und hatte sofort erkannt, dass der Stein aussah wie ein …
»Ein Buch!«, rief Rik in diesem A ugenblick aus, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Der Stein sieht aus wie ein Buch.«
»Genau!« Jemina nahm den Stein wieder an sich und steckte ihn wieder ein. »Er sieht aus wie das Buch des Lebens«, erklärte sie und fügte grinsend hinzu: »Und was begehrt Corneus mehr als alles andere?«
»Du … du willst behaupten der Stein … ist das Buch des Lebens?« Langsam schien Rik zu begreifen, was sie vorhatte.
»Ja, und zwar verzaubert.« Jemina lachte schelmisch. »Und du und ich sind die Einzigen, die den Zauberspruch kennen, der aus diesem Stein wieder ein Zauberbuch machen kann. W enn Corneus das Buch also haben will, muss Salvias uns wohl oder übel mit zur Feste nehmen.«
»Das ist ganz schön hinterhältig.« Rik bedachte Jemina mit einem anerkennenden Blick. »Es könnte sogar klappen, aber was ist, wenn Salvias dir nicht glaubt?«
»Rik! A lso wirklich.« Jemina tat empört, lachte aber. »Ich bin eine Reine! Schon vergessen? Eine Novizin! Ich kann gar nicht lügen. Salvias muss mir glauben.«
»Stimmt.« Rik nickte, wirkte aber noch nicht völlig überzeugt. »Dann hoffen wir mal, dass dein Plan aufgeht.« Er gähnte und rieb sich mit den Händen über die A ugen. Das Gähnen wirkte ansteckend. Jetzt, da ihr Körper zur Ruhe kam, spürte Jemina die Erschöpfung besonders stark und ihr wurde bewusst, dass sie fast zwei
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