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Die Hüterin des Schattenbergs

Die Hüterin des Schattenbergs

Titel: Die Hüterin des Schattenbergs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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schwindende Flamme immer weniger Licht spendete. Hatte sie zu Beginn noch drei Stufen beleuchtet, war die nächste Stufe jetzt nur noch dann zu erkennen, wenn Jemina die Flamme dicht über den Boden hielt. W enn das Feuer nicht schnell neue Nahrung bekam, würde es bald ganz ausgehen. »Wie weit ist es noch?«, fragte sie Rik. A ber der zuckte nur mit den Schultern.
    »Warte!« Jemina blieb stehen und reichte Rik die Fackel.
    »Was hast du vor?«
    Diesmal war es Jemina, die ihm die A ntwort schuldig blieb. Mit zitternden Fingern öffnete sie ihre dicke Jacke, zog sie aus und streifte sich auch das gewebte Untergewand über den Kopf.
    Rik senkte schnell den Blick, als sie so überraschend mit entblößtem Oberkörper vor ihm stand, aber Jemina achtete nicht auf ihn. Obwohl sie das Untergewand mit Händen und Zähnen bearbeitete, ließ das fest gewebte Linnen sich nicht zerreißen.
    Die Flamme der Fackel schrumpfte immer weiter zusammen. Inzwischen waren es nur noch einzelne Flämmchen, die auf der Suche nach Nahrung über das ölgetränkte T uch tanzten, so klein, dass jeder stärkere W indzug sie auslöschen konnte.
    »Hilf mir, Rik!«, sagte sie mit einem A nflug von V erzweiflung in der Stimme, weil der Stoff sich so störrisch gebärdete.
    »Du bist nackt!« Rik schaute sie immer noch nicht an.
    »Na und?«, Jemina verstand nicht, warum Rik sich so zierte. In Selketien gebot es der A nstand, dass man nicht unbekleidet herumlief, andererseits war dies eine Notlage und Nacktheit etwas ganz Natürliches. »Hast du noch nie ein halbnacktes Mädchen gesehen?«
    »Nicht so.«
    »Und du wirst auch keine Gelegenheit mehr dazu haben, wenn du mir nicht hilfst.« Mit einem Seufzen nahm Jemina die Fackel wieder an sich und drückte Rik gleichzeitig ihr Untergewand in die Hand.
    »Hier«, sagte sie bestimmt. »Versuch du es. W ir brauchen Stoffstreifen, die das Feuer nähren, bis wir die T reppe hinter uns haben.«
    Rik mühte sich redlich, aber auch seine Kräfte reichten nicht aus, um das Gewebe zu zerreißen. »Corneus hat uns wirklich gute Kleidung gegeben«, sagte er und hielt Jemina ihr Untergewand hin. »Zieh es wieder an.«
    »Dann sitzen wir gleich im Dunkeln!« Jemina hatte sich ihre warme Jacke wieder übergestreift. »Oh Schatten, warum haben wir kein Messer dabei?«
    »Waffen haben in der Vergangenheit nur Leid und Elend über unser Land gebracht. Es sind Werkzeuge des Bösen, geschaffen, um zu töten«, wiederholte Rik, was Jemina erst vor Kurzem selbst zu ihm gesagt hatte.
    »Lass das, Rik. Jetzt ist nicht die Zeit für Scherze.«
    »Das waren deine W orte.«
    »Du wolltest das Messer als W affe verwenden, ich will es als W erkzeug gebrauchen.«
    »Womit bewiesen wäre, dass ein Messer nicht allein dem Bösen dienlich ist«, sagte Rik. »Es hat wie alles zwei Seiten und es liegt allein an uns, wozu wir es verwenden. Oder wie siehst du das?«
    »Rik, bitte! Können wir das nicht ein anderes Mal klären?« Jemina schaute voller Sorge auf die Fackel. Dort flackerten die beiden letzten Flämmchen bedenklich und spendeten kaum noch Licht. Jeden A ugenblick konnten sie erlöschen.
    In der Not fasste sie einen verzweifelten Entschluss. W enn es nicht möglich war, Streifen aus dem Stoff zu reißen, mussten sie eben das ganze Untergewand entzünden. Kurzentschlossen hielt sie die Fackel an das Untergewand, das mit wildem Fauchen und einer grellen Stichflamme in Flammen aufging.
    »Bist du von Sinnen?« Rik schleuderte das Untergewand erschrocken fort, das als lodernder Feuerball im A bgrund verschwand.
    »Oh Schatten!« Fassungslos schaute Jemina dem brennenden Stoff nach. Sie war vor Schreck wie erstarrt. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass er so schnell und heftig brennen würde.
    »Das wollte ich nicht!« Rik war der Erste, der die Stimme wiederfand. »Aber es war plötzlich so heiß.«
    »Dich trifft keine Schuld.« Jemina schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Ich hätte die Flamme nicht einfach an das Gewand halten sollen.«
    »Du konntest doch nicht wissen, dass es so schnell brennt.«
    »Hast du dich verbrannt?« Jemina wollte nicht länger über das Missgeschick nachdenken.
    »Nein.« Rik gelang ein Lächeln. »Ich habe gerade noch rechtzeitig losgelassen.«
    »Das ist gut.« Jemina nickte. »Und jetzt?« Sie schaute Rik an, doch ehe dieser antworten konnte, erlosch die Fackel und sie standen im Dunkeln.

    Es war Jemina, die nach einer endlos anmutenden Zeit des Schweigens als Erste wieder die Stimme

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