Die Hundegrundschule
Ranghöhere Wölfe packen andere nicht am Nackenfell und drehen sie auf den Rücken. Davon abgesehen sind Hunde auch gar keine Wölfe, und wir, wenn man schon diesen Vergleich wählt, sind es genauso wenig. Hunde in körperliche »Unterwerfung« zu bringen, kann tatsächlich sehr wirksam sein– nämlich darin, dem Hund Angst vor dem Besitzer beizubringen, Verteidigungsaggression auszulösen oder darin, dass man vormacht: Gewalt ist ein Mittel zur Durchsetzung des eigenen Anliegens.
Nicht etwa, dass sozialer Status in der Hundegesellschaft nicht wichtig wäre. Aber er ist nur in einem Bruchteil der Zeit wichtig, genau wie das unter Menschen auch der Fall ist. Wenn Sie auf der Schule mit der Algebra zu kämpfen hatten, lag das nicht daran, dass Sie keinen Respekt vor Ihrem Lehrer hatten, sondern entweder konnten Sie Mathe nicht leiden oder Sie taten nebenbei noch etwas anderes als Quadratgleichungen zu lösen. Sie vergessen Teile Ihres Vortrages nicht deshalb, weil Sie die Zuhörer nicht respektieren, sondern deshalb, weil Sie Lampenfieber haben oder sich schlecht vorbereitet haben (oder beides zusammen). Wenn Hunde nicht das tun, was wir von ihnen verlangen, tun sie das sehr oft aus den gleichen Gründen wie wir selbst, wenn wir nicht die Erwartungen anderer erfüllen: Weil wir verwirrt sind, Angst haben oder motiviert sind, etwas anderes zu tun. Und doch sind Besitzer nur zu oft der Meinung, dass ihre Hunde absichtlich ihre Autorität infrage stellen, wenn sie nicht immer das tun, was sie gesagt bekommen – egal, ob es ums Kommen auf Zuruf geht oder darum, höflich zu Besuchern zu sein. Wir bezeichnen es sogar als »Ungehorsam«, obwohl der Begriff »Fehlkommunikation« oder »Lampenfieber« viel öfter zutreffen würde. Denken Sie daran, wenn Sie mit Ihrem Hund arbeiten. Alle Beteiligten werden dann am glücklichsten sein, wenn Sie sich wie eine wohlwollende Führungsperson benehmen, wie ein guter Elternteil oder guter Lehrer und nicht wie ein autoritärer Diktator.
Übungen für diese Woche
Das Aufmerksamkeitsspiel
Spielen Sie das Aufmerksamkeitsspiel diese Woche mindestens drei oder vier Mal, sei es im Hof, in der Hundeschule oder auf dem Spaziergang. Tun Sie es nicht, wenn Ihr Hund sechs Meter vor Ihnen an einer Flexileine läuft – das ist in dieser Trainingsphase noch zu schwierig für ihn. Sie können aber versuchen, auf dem Spaziergang einmal für ein oder zwei Minuten stehen zu bleiben und Ihren Hund bestärken, falls er den Kopf zu Ihnen dreht.
Jetzt ist auch ein guter Zeitpunkt, um Ihr Timing beim Loben zum üben. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf zwei Dinge: Auf die Bewegung des Hundekopfes, wenn er sich zu Ihnen zu drehen beginnt und auf das Aussprechen Ihres Lobwortes. Wie viel Zeit ist zwischen beiden Ereignissen vergangen? Konzentrieren Sie sich darauf, die Zeit zwischen der ersten Kopfbewegung des Hundes und Ihrem »Gut!« oder »Brav!« immer kürzer werden zu lassen. Präzises Timing ist ein Bestandteil des Trainings, der sehr einfach klingt, aber nur mit Übung perfektioniert werden kann. 16 Die meistenAnfänger lassen bis zu einer ganzen Sekunde zwischen der Aktion des Hundes und ihrer eigenen Reaktion verstreichen. Das mag zwar nicht nach viel klingen, aber eine Sekunde ist lang genug, dass in dieser Zeit viele andere Dinge passieren können – die alle verhindern können, dass Ihr Hund Ihr Lobwort mit seiner Kopfbewegung verknüpft. Sie können sich das selbst praktisch vor Augen führen, indem Sie sich laut »eins-eintausend« vorsagen. Bewegen Sie sich in der Zeit, während Sie das aussprechen, auf so viele verschiedene Arten wie möglich. Die meisten von uns schaffen mindestens fünf bis zehn verschiedene kleine Bewegungen innerhalb dieser scheinbar doch so winzigen Zeitspanne. Jede dieser Bewegungen könnte für Ihren Hund irgendetwas bedeuten. Sie verstehen also, warum eine Sekunde für Verhaltensforscher (und Hunde) in der Tat eine sehr lange Zeit ist.
Perfektes Timing ist wichtig.
Versuchen Sie angesichts dieser Tatsache, ob Sie Ihre eigene Reaktionszeit auf eine Viertelsekunde verkürzen können. Sobald sich der Kopf Ihres Hundes zu drehen beginnt, beginnen Sie »Gut!« zu sagen. Es macht nichts, wenn es anschließend noch etwas dauert, bis Ihr Leckerchen im Hundemaul ist, denn Sie haben Ihren Hund schon darauf konditioniert, Ihr Lob mit einem Leckerchen zu verknüpfen. (Sind Sie nicht froh darüber, dass Sie diesen Abschnitt des Buches beim Lesen nicht ausgelassen
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