Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
Miene. Arnaut konnte ja nicht ahnen, dass ein gewisser Ordensbruder seinem Freund Sorgen bereitete.
    Étienne de Bernay schien wieder bei voller Gesundheit zu sein. Severin hatte ihn bei einer Parade der Templer gesehen. Dass Constansa allein mit den Frauen wohnte, bereitete ihm Sorgen. Aber sie tat, als gäbe es keine Bedrohung in ihrem Leben, wollte nicht mehr an die ganze hässliche Geschichte erinnert werden. Jedes Wort darüber forderte nur ihren Zorn heraus.
    Die nächsten Tage boten der
militia christi,
das heißt, was von ihr übrig geblieben war, Gelegenheit zur Erholung. Nicht wenige hatten Unterkunft in den Häusern der Stadt gefunden, und zum ersten Mal seit langer Zeit konnte man sich richtig satt essen. Der König schenkte jedem Ritter, der ohne Reittier war, ein neues Pferd. Zelte, Ausrüstung und Waffen wurden instand gesetzt, und sogar ein Teil des überfälligen Solds wurde ausbezahlt. Die Männer hatten plötzlich Geld in der Tasche, konnten sich neu einkleiden und machten die Spelunken und Hurenhäuser unsicher, so dass die normannische Stadtwache alle Hände voll zu tun hatte, die Ordnung aufrechtzuerhalten.
    Sattler fertigten Zaumzeug an, Holz wurde herangeschafft, Schmiede und Zimmerleute begannen, Belagerungsmaschinen zu bauen,
ballistae
und anderes verlorengegangenes Kriegsgerät zu ersetzen. Das alles kostete den König viel Geld. Mehrmals schon während des Marsches hatte er seinen Reichsverweser in Paris, den Abt Suger, schriftlich um Geldsendungen ersucht. Aber da noch nichts davon eingetroffen war, musste er sich auf die Templer verlassen, ihm das Nötige vorzustrecken. Der Großmeister Everard de Barres machte sich deshalb ernsthaft Sorgen, denn die gewaltigen Summen, die benötigt wurden, fingen an, selbst die Möglichkeiten des reichen Ordens zu übersteigen, wenn nicht bald Geld aus der Heimat eintraf.
    Arnaut, der von Bertran für seine bisherigen Dienste entlohnt worden war, konnte seine Leute zusammenrufen und auch ihnen Sold aushändigen. Dazu legte er für jeden noch ein persönliches Geschenk, denn er hatte ein paar seiner Wechsel einlösen können, und auch die Handvoll Frauen, die unterwegs ihre Ehemänner verloren hatten, bekamen deren Anteil ausbezahlt, eine Praxis, die keinesfalls selbstverständlich war.
    »Die Dinge liefen nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten«, sagte er den Gefährten, die danach im Kreis um ihn herumsaßen. »Wir haben einiges durchgemacht und zu viele Kameraden verloren. Deshalb werde ich es niemandem verübeln, wenn er mir nicht weiter folgen möchte. Ich entbinde jeden, der es wünscht, von seinem Treueschwur.«
    Betroffen starrten sie ihn an.
    »Willst du uns etwa fortschicken?«, fragte Ferran.
    »Natürlich nicht. Aber ich möchte keinen zwingen, weiter mit mir in den Krieg zu ziehen. Vielleicht findet der eine oder andere ein Auskommen hier in Outremer. Oder das Geld reicht für einen Platz auf einem Schiff in Richtung Heimat. In jedem Fall danke ich allen, die mir bis jetzt die Treue gehalten haben.«
    Sie sahen sich gegenseitig an, unsicher, was sie sagen sollten. Hier war die Gelegenheit, sich von der Pilgerfahrt in Ehren loszusagen, ohne als Fahnenflüchtiger zu gelten, ein anderes Leben zu beginnen, ohne Kriegsdienst, Entbehrungen und Schlachten. Die, die Weiber hatten, dachten vielleicht ernsthaft darüber nach. Die anderen versuchten es, konnten sich aber kaum ein Dasein ohne ihre Kameraden vorstellen.
    Nach einer Weile des Schweigens hielt Duran sich den Weinschlauch an die Kehle und trank lang und ausgiebig. Dann rülpste er. »Ich sag dir eines, Arnaut, mich wirst du nicht so schnell los, auch wenn wir den Teufel am Schwanz packen und aus der Hölle ziehen müssen.« Dazu lachte er so unbändig, als wollte er schon jetzt dem Teufel Angst machen.
    Es war eine idiotische Bemerkung, und alle wussten es. Und trotzdem brachen sie ebenfalls in wildes Gewieher aus und schlugen ihm ausgelassen auf die Schulter.
    »Da hast du deine Antwort«, grinste Ferran. Er blickte allen in der Runde ins Gesicht. »Oder will sich doch einer von euch Bastarden davonschleichen?«
    Keiner wollte. Stattdessen ließen sie die Weinschläuche kreisen und widmeten sich mit Scherzen und Gelächter dem ernsthaften Geschäft, sich gründlich zu besaufen. Arnaut schüttelte den Kopf. Wie unvernünftige Kinder führten sie sich auf. Er hingegen fühlte sich alt wie Methusalem.
    ♦
    »Ich danke dir für das Geld«, sagte Elena.
    Sie saßen allein auf der Treppe

Weitere Kostenlose Bücher