Die Hure Babylon
war auf eine zuverlässige und doch unaufdringliche Weise für sie da, die ihr keine Freiheiten nahm. Sie musste nicht länger misstrauisch sein. Mit jedem Tag gewann sie ein wenig mehr an Zuversicht und Vertrauen, sich ihm zu öffnen.
Gelegenheit dazu ergab sich an einem lauen Abend. Während die anderen beim Lagerfeuer redeten, erklommen Severin und Constansa den Hügel, unter dem die Zelte aufgeschlagen waren und von wo aus man bis zum Meer schauen konnte. Es war jene stille Zeit der Dämmerung, wenn die Sonne gerade hinter dem Horizont versinkt, die Vögel bereits die Köpfe zwischen die Flügel stecken, aber der Himmel noch nicht bereit ist, den Tag endgültig gehen zu lassen.
Auf einer grasbewachsenen Stelle ließen sie sich nieder. Und obwohl Constansas Herz wie wild schlug und ihre Hände dabei zitterten, begann sie, den Gürtel abzulegen, die Bänder ihrer Tunika zu lösen. Als sie aber ganz entblößt dasaß, seine erstaunten Blicke über ihren Leib wandern sah, da verließ sie plötzlich der Mut. Die Hände sanken kraftlos in den Schoß, beschämt wandte sie das Antlitz zur Seite. Gras pikste ihre Haut, und ein kühler Windhauch strich ihr über die nackten Brüste, so dass ihr fröstelte. Sie kam sich lächerlich vor und bereute den vorschnellen Entschluss. Doch bevor sie wieder aufstehen konnte, zog er sie in seine Arme und besänftigte ihr Herz mit kleinen Zärtlichkeiten, als wäre sie ein Kind, das nach Trost verlangt. Nach einer Weile wurden Küsse und Liebkosungen leidenschaftlicher. Als auch Severin an seinen Kleidern zu zerren begann, da half sie ihm in seiner Ungeduld und erschrak dann doch vor seiner nackten, stürmischen Männlichkeit und zuckte zurück.
»Es muss nicht sein, wenn du nicht willst«, raunte er.
»Doch. Ich will«, flüsterte sie und öffnete mit zitternden Knien ihren Schoß.
Und so entdeckte Constansa die Liebe. Auch wenn sie zunächst mehr Severins leibliche Wärme und streichelnden Hände genoss als irgendeine Erfüllung, so war sie doch glücklicher als je zuvor in ihrem Leben. Aber mit jedem Mal, mit dem sie in dieser Nacht ihre Liebe erneuerten, lösten sich Furcht und Anspannung von ihr, und sie begann, Gefühle und Leibesregungen wahrzunehmen, die sie zuerst erstaunten, sogar erschreckten und sie schließlich in jenen Taumel von Begehren und Leidenschaft stürzten, der nicht ruht, bis alle Lust gestillt ist, bis der Nachtwind den Schweiß kühlt und der Schlummer sanft die Seele entführt.
Severin und Constansa waren nicht die Einzigen, die diese unbeschwerten Tage genossen. Auch Jori und seine Angetraute konnten nicht voneinander lassen. Joana war verliebt, und jeder konnte es sehen. Ferran und die anderen ließen jedoch kaum eine Gelegenheit aus, sie damit zu necken. Wieso sie denn so herzlos gewesen sei, diesen dahergelaufenen Kerl zu ehelichen, und ob sie keinen ihrer früheren Liebhaber vermisse. Es war nicht böse gemeint, und bei ihrer Vergangenheit hätte man meinen können, sie wäre an zweideutige Scherze und Anzüglichkeiten gewöhnt. Aber nun, da sie ganz allein Jori gehörte, errötete sie jedes Mal wie eine ungeküsste Jungfrau und ärgerte sich über die dummen Sprüche. Bis Jori genug hatte und versprach, dem Nächsten, der sein Lästermaul nicht halten konnte, gründlich den Arsch zu versohlen.
Elena ging zu Fuß. Sie hielt nichts vom Reiten. Außerdem war ihr Maultier bepackt mit allerlei Zeug, das sie in Antiochia erworben hatte. Neben ihr ritt oft Bruder Aimar auf seiner Flora. Sie redeten viel über die Zeiten, die hinter ihnen lagen, über Kameraden, die sie verloren hatten, über Esteban, der ihren Marsch jetzt mit seiner schönen Stimme begleitet hätte. Und manchmal, wenn Elena ihre Scheu überwand, auch über Arnaut. Es war das Einzige, was sie sich in Bezug auf ihn noch gestattete, denn sie wusste, dass er für sie unerreichbar war. Ihre Hoffnungen, wenn sie je welche gehegt hatte, waren endgültig begraben, und wenn die Truppe irgendwo unter Sternen lagerte, schlug sie ihr Zelt so weit wie möglich von seinem auf. Aimar merkte, wie sehr sie litt, aber der Herrgott und die Zeit würden es schon heilen.
Arnaut dagegen dachte noch einmal an seine Begegnung mit der Türkin Ayla. Beim Abschied hatte sie für einen Augenblick feuchte Augen bekommen. »Wenn Allah will,
franj,
dann sehen wir uns wieder. Ich hoffe es.« Aber gleich darauf hatte sie wieder gescherzt, dass ihr Vetter sie bei all dem Gerede über Krieg gewiss vergessen und sie in
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