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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Vordringen des Feindes hatte sich ausgezahlt. Oder so schien es jedenfalls.
    Die Burg Inab war zu klein, als dass das Heer sich darin hätte verschanzen können. Also lagerten sie in einiger Entfernung in einer Senke, durch die ein Bach floss. Ein guter Platz, wenn auch nach allen Seiten ungeschützt. Als die Lagerfeuer brannten, wurde der unblutige Sieg gefeiert.
    »Hab ich euch zu viel versprochen?«, grinste Ferran. »Ein anderer hätte gezögert, aber dieser Mann ist ohne Furcht. Hat den Türken keine Zeit gelassen, sich auch nur am Arsch zu kratzen.«
    »Ich hoffe, sie kommen nicht zurück«, sagte Arnaut, der mit der Kampfweise der Türken inzwischen bestens vertraut war. »Wir sind hier nicht besonders sicher.«
    »Ach was. Die sind über alle Berge.«
    Sie redeten noch viel an diesem Abend. Und auch wenn es schmerzlich war, kamen sie immer wieder auf gemeinsame Freunde und Erlebnisse zu sprechen. Ferran erzählte noch einmal die alte Geschichte von Constansa und dem gestohlenen Huhn und wie Severin sie im letzten Augenblick vor den wütenden Verfolgern gerettet hatte.
    »Ich weiß, wie sehr du Severin mochtest«, sagte Arnaut zu ihm. »Ich habe ein paar Dinge dabei, die ihm gehörten. Darunter ist eine silberne Gewandfibel. Die will ich dir gern als Andenken überlassen.«
    Ferran war sichtlich erfreut. »Das ist mächtig großzügig von dir, Arnaut. Ich bin so frei und nehme es an.«
    Darauf begann Arnaut, in seinen Satteltaschen zu kramen. In einem bestimmten Beutel wusste er die Fibel. Gleich daneben fand er auch seinen Einsatzbefehl, den er sich noch überhaupt nicht durchgelesen hatte. Er nahm ihn ebenfalls aus der Tasche.
    »Da hast du sie.« Er warf Ferran die Fibel zu, der sie auffing und im flackernden Feuerschein betrachtete.
    »Schön. Ich erinnere mich an das Stück. Danke, Arnaut.«
    Aber der hörte gar nicht zu, denn als er das Siegel aufgebrochen und den Pergamentbogen entfaltet hatte, fiel ihm ein Brief vor die Füße. Erstaunt hob er ihn auf. Und plötzlich wurde sein Mund staubtrocken, sein Herz begann wie wild zu schlagen, denn er erkannte Ermengardas höchst eigene Handschrift.
    »Haltet mal die Klappe«, rief er, riss den Brief auf und ließ sich am Feuer nieder, um besser lesen zu können. Diese Handschrift hätte er überall erkannt, die Buchstaben in jenem besonderen Schwung aufs Pergament gesetzt, der nur ihr eigen war.
     
    Liebster,
    innigst hoffend, dass dieser Brief Dich irgendwo in Outremer erreicht, dass Du gesund an Leib und Seele bist und mich noch nicht ganz vergessen hast, verfasse ich diese Zeilen.
    Aimars Rückkehr und was er mir von Euren Erlebnissen und Gesprächen berichtet hat, hat mir neue Hoffnung gegeben. Mein Herz ist so voll. Da ist so viel, was ich Dir mitteilen möchte, ein ganzes Buch würde nicht reichen. Lange habe ich darüber nachgedacht, wie ich es am einfachsten und deutlichsten sage.
    Ich liebe Dich, wie ich nie einen Menschen geliebt habe, und ich schäme mich für das, was ich Dir in meiner Dummheit und Verletzlichkeit angetan habe.
    Wenn Du noch etwas für mich empfindest, komm zu mir zurück, so schnell Du kannst. Denn Gott hat uns gewiss vergeben, sonst hätte Er uns nicht diese Liebe ins Herz gepflanzt. Und wenn nicht, soll er uns doch gemeinsam in die Hölle schicken, solange ich Dich nur in meinen Armen halten kann. Warte nicht einen Tag länger. Das Leben ist zu kurz.
    In ewiger Liebe
    Ermengarda
     
    ♦
    Nach so langer Zeit war es schwer, sich ihr Gesicht als Ganzes vorzustellen. Die Einzelheiten jedoch waren ihm so nah, als könnte er sie ertasten. Jedes Haar und jedes Grübchen. Ihre kleine, wohlgeformte Nase, ihre Lippen, die Art, wie sie manchmal das Kinn reckte, oder ihre schlanken Hände, die so zärtlich sein konnten. Und vor allem die tiefblauen Augen unter dunklen Brauen, die ihm vom ersten Tag an den Kopf verdreht hatten, kluge Augen, die oft kühl und gefasst die Welt betrachteten, um gleich darauf vor Fröhlichkeit zu tanzen oder in Liebe zu schwimmen.
    Arnaut lag in der Stille der Nacht auf seinem Lager, unter dem Kopf eine zusammengerollte Decke, den Brief fest an seine Brust gepresst, als könnte er so ihren Herzschlag spüren oder die Hand, die diese Zeilen verfasst hatte. Inzwischen kannte er jedes einzelne Wort auswendig. Der Brief war ihr so ähnlich. Sie klagte und beschuldigte nicht, verlor sich nicht in Unnötigem, sagte in klaren Worten, wie es um sie stand. Und dennoch spürte er hinter den Zeilen, wie sehr sie gelitten

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