Die Hure Babylon
hinwegsehen?
Es war wie eine Erleuchtung. Sein Entschluss war gefasst. Nichts sollte ihn mehr halten. Lautstark rief er nach Jori und Lois Bernat und befahl ihnen, die Waffen in seine Kammer zu tragen. Dann stürmte er die Treppe hinauf. Ermengarda würde es verstehen. Er musste es ihr gleich sagen.
Als er atemlos in den Empfangssaal stürzte, fand er sie im Gespräch mit dem Abt Imbert vertieft. Unmutig über die Störung sah sie auf, lächelte aber, als sie ihn erkannte.
»Was ist, Arnaut?«
Er verbeugte sich hastig vor dem Abt. »Es tut mir leid,
Mossenher,
dass ich …«
»Nur zu, mein Sohn.« Der alte Geistliche machte Anstalten, sich zu erheben.
»Aber bleibt doch,
Paire
Imbert«, rief Ermengarda und legte ihm die Hand auf den Arm.
»Wir müssen reden, Ermengarda«, drängte Arnaut.
»Kann das nicht warten?«
Sie sah ihn aufmerksam an. Diese blauen Augen konnten so durchdringend sein, als ließe sich nichts vor ihnen verbergen. Der Blick verunsicherte ihn einen Augenblick. Ihr dunkles Haar hatte wieder den alten Glanz. Nachtblaue Seide umschmeichelte ihren Leib, und an der weißen Kehle leuchtete ein einzelner Rubin wie ein Tropfen Blut. Nur Lippen und Wangen waren leicht gerötet in einem Antlitz noch allzu bleich von der langen Krankheit. Aber gerade das ließ sie schöner denn je erscheinen.
Er holte tief Luft, um sich Mut zu machen, entschuldigte sich abermals bei dem alten Abt für die plötzliche Unterbrechung. »Es ist wichtig,
Mossenher
«, fügte er hinzu. »Wenn Ihr erlaubt.«
Paire
Imbert dankte es ihm mit einem freundlichen Lächeln. »Ich glaube, wir haben alles besprochen, meine Liebe«, sagte er. »Ich will mich darum kümmern. Ihr könnt ganz beruhigt sein.«
Beide erhoben sich. Ermengarda geleitete ihn bis an die Tür und verabschiedete ihn.
»Was ist denn so schrecklich eilig, dass du unseren guten Abt hinauswerfen musstest«, fragte sie belustigt, als sie allein waren. Sie schritt zu einem Anrichtetisch und schenkte etwas Wein in zwei Kelche. »Eigentlich bin ich froh, dass du gekommen bist. Ich hatte mich schon gelangweilt.«
»Was war denn?«
»Ich habe für die Basilika gestiftet. Zum Dank für meine Genesung. Wir sprachen darüber, wie die Summe zu verwenden ist.« Sie reichte ihm seinen Wein und seufzte. »Manchmal denke ich, immer wenn jemand zu mir kommt, dreht es sich nur um Geld. Almosen, Stiftungen, besondere Ausgaben oder angeblich ganz sichere Anlagen. Die melken mich wie eine Kuh. Ich bin es leid.« Aber dann lächelte sie, schlang den Arm um seine Hüfte und sah zu ihm auf. »Willst du mich nicht küssen?«
Ihre Lippen leuchteten einladend und vertraut. Fast hätte er sich wie immer über sie gebeugt. Aber dann stellte er seinen Kelch auf einen Beistelltisch, fasste sie mit beiden Händen an den Schultern und hielt sie auf Abstand.
»Wir müssen damit aufhören, Ermengarda.«
Befremdet sah sie ihn an. »Mit was?«
»Es ist gegen Gottes Gebot.«
»Wovon redest du?«
»Du sollst nicht ehebrechen, sagt der Herr.«
Sie schüttelte ungläubig den Kopf, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. »Und das fällt dir jetzt nach über vier Jahren ein?«
»Ich meine es ernst. Ich habe lange nachgedacht.«
»Warst du deshalb in letzter Zeit so abwesend?« Sie setzte sich und nahm einen Schluck Wein. »Ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Natürlich haben wir beide unter dieser Prüfung gelitten. Auch du. Ich weiß das.« Ihre Augen hatten einen feuchten Glanz bekommen. »Aber Gott hat mich verschont. Nun müssen wir wieder in die Zukunft schauen.« Sie streckte die Hand nach ihm aus. »Komm. Mach nicht so ein Gesicht. Setz dich zu mir.«
»Du verstehst nicht. Gott hat dich nicht verschont. Er hat dir im Gegenteil eine Warnung gegeben. Uns beiden hat er eine Warnung gegeben.«
»Wovon redest du,
amor?
«
Arnaut zögerte noch einen Augenblick. Dann gab er sich einen Ruck. »Ich nehme das Kreuz, Ermengarda«, sagte er.
»Was?«, entfuhr es ihr. Sie runzelte die Stirn, als hätte sie ihn nicht recht verstanden.
»Wer das Kreuz nimmt, dem sind alle Sünden vergeben. Ich tue es für uns beide, Ermengarda. Wir müssen dieses Opfer bringen, um uns reinzuwaschen. Es ist der einzig richtige Weg.«
Sie war aufgesprungen. Der silberne Kelch, der ihrer Hand entglitten war, rollte scheppernd auf den Boden. Schnell trat sie auf ihn zu, packte ihn an beiden Armen und schüttelte ihn.
»Sag, dass du mich zum Narren hältst. Das ist doch ein Scherz, oder?« Ihre Augen bohrten
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