Die Hure Babylon
Arm zu halten, und dem würgenden Schuldgefühl, das ihn plagte. Wie gern hätte er ihr Mut gemacht, ihr gesagt, sie würden bald andere Kinder haben, aber er konnte es nicht.
Ermengarda, die ihn so sah, mit dem Kopf zwischen den Schultern, küsste seine Wange und fühlte sich als die Stärkere in ihrem gemeinsamen Leid.
»Sei nicht traurig«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Bald wird es mir bessergehen.«
Er nickte. »Das ist das Wichtigste.«
Mehr wusste er nicht zu sagen.
♦
In den Wochen, die folgten, erholte Ermengarda sich rasch, konnte bald das Bett verlassen und sich endlich wieder auf eigenen, wenn auch noch etwas unsicheren Beinen bewegen. Ein wenig Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück, sie aß regelmäßiger, nahm wieder zu und wurde kräftiger. Sogar zu Geschäftlichem durfte Raimon sie ansprechen. Auch wenn sie sich oft munterer gab, als es in ihrem Herzen aussah, so war sie doch nicht bereit, in dem Verlust mehr als nur einen vorübergehenden Rückschlag zu sehen, wie ein Faustkämpfer, der sich nach einem Niederschlag trotzig erhebt, um den Kampf aufs Neue aufzunehmen.
Arnaut war heimlich erleichtert, dass sie nicht mehr das nächtliche Lager teilten, da die Hebamme es für längere Zeit verboten hatte. Ermengarda verstand seine Zurückhaltung als Fürsorge für ihren Zustand und machte sich wenig Gedanken darüber. Überhaupt schien die Fehlgeburt seine Seele mehr zu belasten, als sie es einem Mann zugetraut hätte. Das gefiel ihr, obwohl sie ihn nicht traurig sehen wollte. Den Verlust seiner Waffen nahm sie nicht weiter ernst, denn das war nichts, was man nicht mit Geld ersetzen konnte. Und davon besaß sie genug.
Arnaut verbarg vor ihr, dass er täglich über das nachgrübelte, was er jetzt als unselige Liebe empfand. Tagelang war er zu Pferde von Burg zu Burg unterwegs, um dem Hof von Narbona zu entfliehen. Es festigte sich die Überzeugung, dass es so nicht weitergehen konnte.
Um seine Entschlossenheit zu stärken, begann er, seinen Geist mit allerlei fadenscheinigen Begründungen anzufüllen. Bestimmte sie nicht alles in seinem Leben, war doch immer die
domina
und er praktisch ihr Gefangener, wie einer dieser bunten Vögel, die sie in ihrem Garten in Käfigen hielt. Die Vorstellung, einfach wegzufliegen, hatte etwas Verlockendes. Zogen junge Männer wie er nicht in die Ferne, ins Abenteuer? Großvaters wilde Geschichten aus Outremer gewannen neue Bedeutung. Was verschwendete er seine Zeit in Narbona?
Doch kaum wieder in ihrer Nähe, schmolzen solche Gedanken wie Schnee unter der Sonne. Wenn sie ihn zur Begrüßung küsste, konnte er nicht anders, als ihre Zärtlichkeit mit Leidenschaft zu erwidern. Hinterher brannten ihm die Lippen vor Scham. Wieder hatte er Gottes Gebot verletzt. Es gab nur einen Ausweg. Diese sündige Liebschaft musste ein Ende haben. Er wollte mit ihr reden, fand aber nicht den Mut und fing an, sich selbst für sein Zögern, für seine Feigheit zu hassen.
Dazu kam die Schmach des verlorenen Zweikampfes. Mehr noch. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Arnaut den kalten Atem des Todes im Nacken gespürt. Und wofür? Vordergründig war es um Ermengardas Ehre gegangen. Doch hatte er sich nicht geradezu vorgedrängt, dem frechen Kerl das Maul zu stopfen, begierig auf die Gelegenheit, der schaulustigen Menge mal wieder seinen Mut in einem ritterlichen Kampf zu beweisen?
Dabei hatte Großvater oft genug gepredigt, ein Schwert nie ohne triftigen Grund zu ziehen, weder im Wettstreit noch zur Belustigung anderer und vor allem nicht aus verletzter Eitelkeit. Gegen diesen Rat hatte er verstoßen. Und nicht zum ersten Mal.
Dieser Josselin de Puylaurens hatte seinen Hochmut jedenfalls ganz ohne Rücksicht auf ritterlichen Anstand bestraft. Seine Art zu kämpfen war verbissen, hinterhältig, gnadenlos, wie eine zum Äußersten entschlossene Kellerratte. In seinen Augen hatte nicht wettkämpferischer Ehrgeiz, sondern Mordlust geglüht. Auf einen solchen Kampf war Arnaut nicht vorbereitet gewesen. Wurde so ein Mann in den zermürbenden Kriegen gegen die Ungläubigen? War auch Jaufré so gewesen?
An einem Nachmittag, es war am Tag nach dem heiligen Osterfest, kam er allein von einem Ritt entlang der Strände zurück. Die Ställe lagen verlassen da, kein Reitknecht zu sehen. Nachdem er selbst den Sattel abgenommen, das Tier getränkt und in seinen Stall geführt hatte, ging er in die Futterscheune, um ein Bündel Heu zu holen.
»Lass mich das tun, Arnaut«, hörte er unerwartet Jori
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