Die Hure und der Henker
unterhalb von Vergissmeinnicht, Gräsern und Sumpfdotterblumen so
komfortabel einrichten kann, sogar so viele Fässer mit Sauerkraut findet, das
ja hier, pardon, Madame, kein Sauerkraut ist, ich weiß, ich weiß, sondern Eure Erfindung,
Madame, sondern Knieperkohl, den erstmals Eure Jenne nach Eurer Weisung fest in
die Fässer getreten, gedrückt und gestampft hat, »Fester, Jenne!« – »Ick kniep
den ja man schon so tosamm’!« –, wenn man hier sogar den Knieperkohl findet,
muss es doch auch – aha, das ist Essig, sehr gut, den nehme ich auch mit nach
vorn, Essig kühlt nicht nur Geschützrohre, man kann ihn auch für Speisen
verwenden und er erhöht auch die Wirkung von Wadenwickeln –, wenn es hier auch
Essig gibt und Salz, wie ich sehe, und das hier scheint Honig zu sein – ich
fass es nicht, Honig! –, dann könnte es doch auch Schmalz geben, oder? Damit
könnte ich ihre Lippen eincremen und vielleicht finde ich nachts sogar Mohn und
Hanf. Vorausgesetzt, dass ich den Kleinen bei ihr lassen kann oder er noch
immer so fest schläft wie jetzt. Dann könnte ich eine schmerzstillende Salbe
bereiten.
Hoppla, ganz
schön dunkel hier hinten. Was man aus Kisten alles machen kann! Zum Beispiel
eine Truhe. Unverschlossen, aber mit sehr schwerem Deckel. Sie ist voller
Kleider.
Nett haben
sie sich ihr Versteck möbliert!
Ein Schwert?
Und noch mehr Waffen… Ein Spaten… Eisenteile, eine Säge… Hier hinten ist es
dunkel. Und wohl sozusagen der Wirtschaftssteil. Hier ist allenfalls
Wagenschmiere, kein Schmalz.
Schade.
Nach vorn
kriecht sich’s besser. Wegen des Lichtes vom Eingang. Wie gut, wie solide sie
das ausgebaut haben!
Ich habe ja
die Stadt nur noch im Kriegszustand, mit meist geschlossenen Toren, kennen
gelernt, nur dreimal in diesen zwei Jahren war ich draußen und nur einmal auf
dieser Seite, zwischen der Stadt und dem Richtplatz. Da haben wir, Valentin und
ich, auf dem Ödland nach Pilzen gesucht. Auf Brandstätten! Denn nach dem
letzten großen Sieg Baners über die Sachsen bei Kyritz haben die Schweden vor
den Toren alles niedergebrannt! Und er hat in der Asche auch wirklich welche
gefunden! Bemerkenswert eigentlich, dass ich sie aß: Ich hab ihm vertraut!
Jedenfalls
hatten wir auf dem Rückweg die Wälle und Gräben im Blick. Die Stadtmauer mit
ihren Wehrtürmen. Diese üppig begrünte Insel im Graben. Und ich kann mich nicht
erinnern, die Reste des Walles im Grün gesehen zu haben. Reste einer slawischen
Burg, eines Ringwalls.
Unter denen wir sind.
In dem Wall. Unter dem Wall.
Dessen Erd-
und Steinfüllungen die Vorfahren unseres Retters ausgehoben, dessen
Holzkonstruktionen sie ausgenützt haben, teils erneuert, teils verstärkt, teils
zu Stützen für Decke und Wände gebraucht. Geräte und Nahrung hierher geschafft.
Alles von den Pritzwalkern unbemerkt. Die ihre Stadt für geschlossen und das
Wasser da draußen für ein unüberwindbares Hindernis hielten.
Oh! Wieder
die Schwelle! Zu hell ist es hier drinnen ja auch nicht. Übrigens
scheint Judith den Lärm da draußen zu hören. Während Honza tief und fest
schläft. Was auch kein Wunder ist für einen Dreijährigen, der mehrere Nächte
kaum geschlafen und vor allem die letzte erlebt hat. Sie zuckt manchmal
zusammen, wenn das Geräusch auf dem Sandweg aufhört. Wenn der Hufschlag und das
Knirschen der Wagenräder, das Poltern und Rumpeln auf der Brücke beginnen.
Der wievielte Wagen ist das
jetzt? Bis vierundzwanzig hab ich noch mitgezählt. Inzwischen dürfte es längst
das Doppelte sein.
Und sie
schreien herum, mein Gott! Und sie knallen mit den Peitschen und brüllen
einander und die Pferde an und scheinen noch nicht gemerkt zu haben, dass sich
manche von ihnen außer dem Plünderungsgut auch die Pest geholt haben.
Wenn ich
Ulmenrinde hätte! Dann könnte ich ihre Brandblasen öffnen und sie hätte weniger
Schmerzen. So aber müssen sie bleiben. Damit keine offene Wunde entsteht, die
sich dann womöglich entzündet.
»Judith,
komm, du musst trinken! Ja, ja, ich bin Elsbeth! Alles austrinken!
Alles!«
Nein, ich
muss ihr nicht sagen, falls ich überhaupt dazu komme, ihr etwas zu sagen, ihr
Danke zu sagen und dass Gott sie segnen möge und dass ich für den Rest meines
Lebens bei ihr bliebe, wenn es ihr nützte – ich muss ihr ja nicht sagen, dass
ich diese Art Redseligkeit, mit der mir Valentin alles erzählte, schon kannte,
dass ich sie ja von meiner Mutter schon kannte. Die war eine andere gewesen,
mit einem einzigen
Weitere Kostenlose Bücher