Die Hure und der Krieger
gekämpft hatte, schlug sie den Weg zum Hügel ein, von dem aus man die Stelle einsehen konnte, an der sich Alaric und Rionna das Jawort geben würden.
Sie wickelte sich fester in das Schultertuch, das sie als Schutz vor der Kälte umgelegt hatte, und ließ sich auf dem welken Gras nieder, das unter dem schmelzenden Schnee zum Vorschein kam.
Der harsche Wind tat ihr gut und betäubte den Schmerz, der ihr noch immer die Brust durchbohrte. Hoch über ihr strahlte die Sonne und wärmte ihr Gesicht und Schultern. Es war ein Tag wie geschaffen für eine Hochzeit. Das fast frühlingshafte Wetter konnte nur ein Zeichen dafür sein, dass selbst Gott segnend seine Hand über das anstehende Ereignis hielt.
Die gesamte Burg schien vor gespannter Erwartung zu summen wie ein Bienenstock. Die Banner von einem Dutzend verschiedener Clans flatterten vor den Festungsmauern im Wind. Überall feierten die Menschen in kleineren Gruppen, und die Brise trug Keeley das ausgelassene Lärmen ebenso zu wie die munteren Weisen der Barden.
Aller Augen würden heute auf Alaric und Rionna gerichtet sein. Keeley lächelte warm, als sie sich daran erinnerte, wie Rionna und sie sich als Mädchen ihren Traumprinzen und den Tag ihrer Vermählung ausgemalt hatten. Rionna verdiente es, diesen Traum erfüllt zu sehen, und einen besseren Gatten als Alaric würde sie nicht finden.
Weil sie so vertieft in ihre Gedanken war, hatte sie gar nicht bemerkt, dass nun alle Menschen im Hof zusammengelaufen waren. Von ihrer Position aus konnte sie die Zeremonie ungehindert verfolgen.
Als Alaric, in feine Kleider gewandet, aus der Menge trat, hielt Keeley unwillkürlich den Atem an. Er trug eine Tunika aus blauem Samt, in deren Saum das Wappen der McCabes eingestickt war. Sein Haar fiel ihm bis über die Schultern, und der Wind spielte mit den Enden, was ihn verführerisch wild wirken ließ.
Vor dem Priester blieb er stehen und wartete auf Rionna, die wenige Augenblicke darauf in den Hof kam. Stolz wallte in Keeley auf, als sie erkannte, wie schön ihre Freundin war. Sie strahlte wie tausend Sonnen, ihre goldene Mähne schien im gleißenden Licht Funken zu sprühen.
Ihr Gewand war ein solch raffiniertes Meisterwerk, dass zwei Frauen nötig waren, um die Schleppe zu tragen. Rionna wirkte erhaben, jeder Zoll eine Königin.
Als sie nur noch wenige Schritte von Alaric entfernt war, schaute er in Keeleys Richtung. Sie wusste, dass er sie sah. Langsam fasste sie sich an die Lippen, ballte die Hand zur Faust und hielt sie sich ans Herz.
Alaric hob unauffällig eine Hand und legte sie sich ebenfalls an die Brust, ehe er den Blick abwandte und auf Rionna richtete.
Er nahm sie bei der Hand, und beide drehten sich zum Priester um. Keeley sank das Herz. Nun war es so weit. Gleich würde Alaric eine andere heiraten; gleich würde sie ihn für immer verlieren.
Zwölf Trommler hatten zu beiden Seiten Alarics und Rionnas Aufstellung genommen und begannen nun zu Ehren von Braut und Bräutigam, ihre Instrumente zu spielen. Der Laut erfüllte die Luft und hallte über die Landschaft.
Aus den Augenwinkeln nahm Keeley plötzlich eine Bewegung wahr. Sie kniff die Augen zusammen, beugte sich vor und starrte angestrengt zu der Gestalt hinüber, die hinter den Versammelten auf der Wehrmauer kauerte.
Was tat der Mann dort? Was wollte er da oben?
Das Sonnenlicht brach sich an etwas, das er in der Hand hielt. Kurz blitzte etwas auf, lange genug, dass Keeley die Armbrust erkannte.
Sie sprang auf und schrie, aber das Trommeln wurde immer schneller und lauter, und der Wind schluckte ihren Schrei. Sie rannte los, überzeugt, es nicht rechtzeitig zu schaffen. Sie wusste ja nicht einmal, wer das Ziel des Armbrustbolzens sein würde. Der König war unter den Anwesenden und ebenso Ewan McCabe und Mairin.
Keeley wusste nur, dass sie alle warnen musste, bevor es zu spät war.
Das Trommeln dröhnte Alaric in den Ohren. Mit jedem Schlag quetschte das Grauen seine Lungen stärker zusammen, bis er keine Luft mehr zu bekommen glaubte.
Er hielt Rionna bei der Hand und senkte den Blick kurz, ehe er ihn hob und die Anmut seiner Braut bewunderte. Aye , sie war wirklich schön. Sie würde ihm eine gute Gemahlin sein, ihm kräftige Söhne und Töchter gebären und ihm alle Ehre machen, wenn er erst Laird über ihren Clan war.
Er sah zu Ewan hinüber, der von Mairin und dem König flankiert wurde. Sein Bruder hatte im Laufe der Jahre vieles geopfert, damit sein Clan überleben konnte. Wie könnte
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