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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Anschlagen des Türklopfers sie aufschrecken ließ.
    »Das wird der Bürgermeister sein! Auf geht’s, Mädels, und gebt acht, dass ihr nicht über eure Schleppen stolpert«, sagte die Zimmerin und eilte gemessenen Schrittes zur Eingangstür, gefolgt von den Huren.
    Bürgermeister Reichmann und die Ratsherren Fichard, Fürstenberger, Neuhof, Uffsteiner, Holzhausen, Stalburg und Glauburg hatten sich für das Ereignis aufs feinste ausstaffiert, um dem hochgeschätzten Besucher die Ehre zu erweisen. Prunkvoll gekleidet und mit der schweren goldenen Amtskette über der Brust repräsentierte der Bürgermeister Reichtum und Macht der Stadt Frankfurt und verströmte, ebenso wie seine Begleiter, ein ausgeprägtes Standesbewusstsein. Doch ihre Amtsroben und Talare verblassten vor den prächtigen Gewändern der Huren, die heute aussahen wie Adelsdamen. Beim Anblick der Hurenkönigin und ihrer Gefolgschaft neigten die hohen Herren unwillkürlich die Häupter und ergingen sich in Komplimenten.
    »Ihr … Ihr seht einfach hinreißend aus, liebe Zimmerin!«, erklärte der Bürgermeister und geleitete Ursel und die drei Hübscherinnen zu den acht bereitstehenden, mit Schafsfellen ausgepolsterten Schlittenfuhrwerken. In der Nacht hatte es geschneit, und der Schnee lag knöchelhoch in den Gassen.
    Während er und die anderen Senatoren den Hübscherinnen galant beim Einsteigen halfen, wandte sich Reichmann an die Gildemeisterin: »Vergesst bitte nicht, unseren Gast bei der Begrüßung mit dem richtigen Titel anzureden. Der Kaiser hat Jakob Fugger nämlich letztes Jahr in den Adelsstand erhoben, und er ist jetzt ›Freiherr von Fugger‹. Und erklärt das auch unbedingt den Hübscherinnen.«
    Ursel nickte und grummelte: »Soll mir recht sein. Ich kenn ihn nur unter dem Beinamen ›der Reiche‹.«
    Der Bürgermeister bestieg seinen Pferdeschlitten und gemahnte zur Eile: »Es muss gleich zur zehnten Stunde schlagen, und wir wollen dem Freiherrn ja ein Stück entgegenkommen.« Im Gefolge von sechs geharnischten Stangenknechten setzte sich der Tross in Bewegung.
    In der Alten Mainzer Gasse wimmelte es vor Messebesuchern. Als sie die Schlittenkolonne erblickten, bildeten sie ein Spalier und betrachteten staunend die Insassen, vor allem die vornehm gekleideten Damen. Nicht wenige der Passanten verneigten sich, weil sie glaubten, Fürstinnen vor sich zu sehen.
    Jakob Fugger lächelte geziert, als die Hurenkönigin, gefolgt von den drei Hübscherinnen, vor ihn trat und ihn im Namen der Stadt Frankfurt huldvoll willkommen hieß.
    Der stattliche Mann in der nerzverbrämten Schaube, einen Biberhut auf den kurzgeschnittenen Haaren, stieg vom Pferd und küsste der Gildemeisterin die Hand. »Es freut mich, Euch wiederzusehen. Ich erinnere mich noch gut an unser letztes Stelldichein!« Er streifte Ursel mit einem lüsternen Blick.
    »Das muss gut zwanzig Jahre her sein«, erwiderte die Hurenkönigin mit charmantem Lächeln und geleitete den Freiherrn zu den Honoratioren, die ein Stück weiter vor den Pferdeschlitten Aufstellung genommen hatten.
    »Da liegt Ihr richtig«, entgegnete Fugger leutselig. »Es war vor genau dreiundzwanzig Jahren, anno 1489 . Ihr habt mir damals Glück gebracht, denn in jenen Tagen begegnete ich zum ersten Mal Kaiser Maximilian auf der Frankfurter Messe.«
    »Das freut mich zu hören.« Die Hurenkönigin lächelte geschmeichelt, und der Bankier musterte sie mit unverhohlenem Wohlgefallen. »Ihr seid immer noch eine sehr schöne Frau. Ich glaube, wir sollten unsere Liaison unbedingt auffrischen …«
    Ursel erwiderte freundlich: »Wir werden sehen.« Insgeheim stieß sie allerdings einen Fluch aus. Der Freiherr wird grantig werden, wenn er merkt, dass ich nicht mehr zu haben bin, dachte sie. Aber sei’s drum! Auch wenn der Kaiser persönlich kommt, mich kriegt keiner mehr rum!
    Obwohl Ursel ihr Gewerbe schon vor vierzehn Jahren aufgegeben hatte und nur noch als Frauenhauswirtin tätig war, erlebte sie immer wieder, dass Männer sie unbedingt haben wollten. Auch wenn sie sich stets bemühte, den Galanen keine allzu schroffe Abfuhr zu erteilen, ging ihr doch die Hartnäckigkeit, mit der manche Freier um sie warben, erheblich auf die Nerven.
    Inzwischen waren sie vor dem Bürgermeister und den Senatoren angelangt. Immer mehr Schaulustige scharten sich um die Gruppe, so dass es für die anderen Reisenden und die Pferdefuhrwerke auf der verschneiten Mainzer Chaussee kaum noch ein Durchkommen gab.
    Reichmann und die Ratsherren

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