Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
warte darauf«, sagte er.
Rachels Examensarbeit beschäftigte sich mit außerirdischen Kunstgegenständen und solchen vor der Hegira. Drei Standardjahre lang bekamen Sol und Sarai ab und zu Besuch von ihr, gefolgt von Fatlinegrüßen von exotischen Welten nahe am, aber nicht im Netz. Sie wußten alle, daß ihr Spezialgebiet sie bald aus dem Netz hinausführen würde, ins Outback, wo die Zeitschuld das Leben und die Erinnerungen der Zurückgebliebenen auffraß.
»Um Himmels willen, wo ist Hyperion?« hatte Sarai während Rachels letzten Ferien gefragt, bevor die Expedition aufbrach. »Klingt wie der Markenname eines neuen Haushaltsprodukts.«
»Das ist ein toller Planet, Mom. Es gibt dort mehr nichtmenschliche Artefakte als sonstwo, außer auf Armaghast.«
»Und warum gehst du dann nicht nach Armaghast?« fragte Sarai. »Das ist nur wenige Monate vom Netz entfernt. Warum begnügst du dich mit dem zweitbesten?«
»Hyperion ist noch nicht die große Touristenattraktion geworden«, sagte Rachel. »Obwohl die allmählich auch zu einem Problem werden. Leute mit Geld reisen immer häufiger außerhalb vom Netz.«
Sol hatte festgestellt, daß seine Stimme plötzlich heiser geworden war. »Gehst du zum Labyrinth oder den Artefakten, die man Zeitgräber nennt?«
»Zu den Zeitgräbern, Dad. Ich werde mit Dr. Melio Arundez arbeiten, er weiß mehr über die Zeitgräber als jeder andere lebende Mensch.«
»Sind sie denn nicht gefährlich?« fragte Sol, der die Frage so behutsam wie möglich formulierte, aber dennoch die Nervosität aus seiner Stimme heraushörte.
Rachel lächelte. »Wegen der Shrikelegende? Nein. Seit zwei Standardjahrhunderten ist niemand mehr von dieser Legende belästigt worden.«
»Aber ich habe Dokumente über die Probleme während der zweiten Kolonisierung dort gesehen ...«, begann Sol.
»Ich auch, Dad. Aber sie haben nichts von den großen Felsenaalen gewußt, die zum Jagen in die Wüste kommen. Wahrscheinlich haben sie ein paar Leute an diese Biester verloren und sind in Panik geraten. Du weißt ja, wie Legenden zustande kommen. Außerdem wurden die Felsenaale so gejagt, daß sie inzwischen ausgestorben sind.«
»Es landen keine Raumschiffe dort«, beharrte Sol. »Man muß zu den Gräbern segeln. Oder zu Fuß gehen. Oder sonstwas Unmögliches.«
Rachel lachte. »In den Anfangstagen haben die Leute, die dorthin geflogen sind, die Wirkung der Anti-Entropiefelder unterschätzt und es gab ein paar Unfälle. Aber inzwischen wurde ein Luftschiffverkehr eingerichtet. Sie haben ein großes Hotel namens Keep Chronos am nördlichen Rand der Berge, wo jedes Jahr Hunderte Touristen absteigen.«
»Wirst du dort wohnen?« fragte Sarai.
»Teils, teils. Es wird aufregend, Mom.«
»Ich hoffe, nicht zu aufregend«, sagte Sarai und sie hatten alle gelächelt.
In den vier Jahren, die Rachel im Transit verbrachte – für sie wenige Wochen in der kryonischen Fuge –, stellte Sol fest, daß er seine Tochter weitaus mehr vermißte, als wäre sie abwesend, aber anderswo im Netz beschäftigt gewesen. Der Gedanke, daß sie mit Überlichtgeschwindigkeit von ihm fort flog und in den künstlichen Quantenkokon der Effekte des Hawking-Antriebs gehüllt war, schien ihm unnatürlich und geheimnisvoll zu sein. Sie hielten sich beschäftigt. Sarai gab ihren Job als Kritikerin auf und widmete sich lokalen Umweltfragen, doch für Sol war es die hektischste Zeit seines Lebens. Sein zweites und drittes Buch kamen heraus, und das zweite – Wendepunkte der Moral – löste einen solchen Wirbel aus, daß er ständig an Konferenzen und Symposien auf anderen Welten teilnehmen mußte. Er reiste zu wenigen allein, zu einigen mehr in Begleitung Sarais, und den beiden gefiel zwar der Gedanke, zu reisen, aber das tatsächliche Erlebnis, sich ständig auf fremdes Essen, unterschiedliche Schwerkraft und das Licht seltsamer Sonnen umzustellen, verblaßte mit der Zeit, und Sol verbrachte immer mehr Zeit zu Hause, recherchierte für sein nächstes Buch und nahm an Konferenzen, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ, via interaktivem Holo der Universität teil.
Fast fünf Jahre nachdem Rachel zu ihrer Expedition aufgebrochen war, hatte Sol einen Traum, der sein Leben verändern sollte.
Sol träumte, daß er durch ein großes Bauwerk mit Säulen so groß wie Rotholzbäume und einer Decke lief, die in den Höhen über ihm verschwand und durch die rotes Licht wie solide Schächte einfiel. Manchmal erblickte er Gegenstände rechts
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